Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
die Lippen.
»Mal sehen. Weißt du schon, wer daran teilnimmt?«
»Ja, ich habe meine Hausaufgaben gemacht. Hier ist die Liste.«
Sie nahm sie mir aus der Hand, und ich beobachtete, wie sich einmal kurz ihre Miene verdüsterte. Sie hatte Oberst von Braunlage gefunden, der uns beiden, wenn nicht persönlich, so doch vom Namen her bekannt war.
Ich hingegen hatte auch noch vier andere Namen entdeckt, die mich mitten ins Herz trafen.
Beauregard und Chester Fitzgerald, die beiden Engländer kannte ich, und auf sie war ich wirklich neugierig. Vor dem Krieg waren die jungen Männer in unserem Hotel zu Gast gewesen. Auch Hans Beckhaus, der als Majordomus bei uns angestellt gewesen war, wurde erwähnt. Ich hatte meiner Schwester schon geschrieben und gefragt, ob sie etwas von ihnen oder vielleicht auch von Will Marten, dem Chauffeur und Freund der Engländer, gehört hatte, aber bisher hatte sich in Godesberg keiner von ihnen gemeldet.
Am tiefsten allerdings traf mich die Erwähnung von Alasdair MacAlan. Der schottische Vetter der Fitzens hatte ebenfalls seine Ferien bei uns verbracht. Und – ja, die Erinnerung an einen Sommer vor elf Jahren wollte mich schier überwältigen. Sechzehn war ich, und hoffnungslos verliebt. Welches Schicksal ihm im Krieg widerfahren war, wusste ich nicht. Bisher hatte ich angenommen, dass er, wie so viele meiner Freunde und Bekannten von damals, gefallen war. Eine Nachricht von ihm hatte ich nie erhalten. Aber offensichtlich hatte er überlebt, hatte möglicherweise eine Sanitäterin geheiratet und drei Kinder gezeugt. Mich hatte er ganz eindeutig vergessen.
Ich zuckte mit den Schultern.
Weg damit! Diese Vergangenheit war vorüber. Nicht an verlorene Träume denken! Die Zukunft lag vor mir.
Dazu hatte ich bereits vorsorglich herausgefunden, dass auch die Berliner Illustrirte und vor allem auch die Berliner Automobil Zeitung an einer aktuellen Berichterstattung nicht uninteressiert waren. Das einzig Dumme war nur, dass sie mir nur dann ein Honorar zahlen würden, wenn sie meine Artikel auch veröffentlichten. Deshalb war gerade Kochs Einverständnis wichtig. Als Reporterin für sein Blatt würde ich mein festes Gehalt beziehen und die Spesen ersetzt bekommen. Gut, vielleicht musste ich das Flugbenzin aus eigener Tasche bezahlen und Henning sicher auch eine Mietgebühr anbieten, aber die Hotelzimmer und die Verpflegung übernahm das Bunte Blatt . Ein bisschen Erspartes hatte ich inzwischen, und das war es mir wert, es für mein Ziel einzusetzen.
Ach, ich begann schon zu träumen.
Von Zeitschriften und Verlagen, die mich mit Anfragen überhäuften. Von spektakulären Berichten, die mir zu Schlagzeilen verhalfen. Von großzügigen Honoraren und einem unbegrenzten Spesenkonto. Von einem eigenen kleinen Flugzeug …
Alasdair MacAlan spielte in diesen neuen Träumen keine Rolle. Gar keine.
START IN PARIS
9. SOIREE IM BRISTOL
Oh show us the way to the next whisky-bar.
Oh don’t ask why, oh don’t ask why!
Bertolt Brecht
L e Bristol war die nobelste Adresse in Paris. Und in diesem Hotel würde das Bankett am Abend vor dem Rallyestart stattfinden. Ganz wohl war Mac nicht dabei – ihm wäre es lieber gewesen, wenn sich die Teilnehmer erst am Morgen in den Fahrzeugen begegnen würden. Da konnte man einander leichter aus dem Weg gehen. Sie hatten den Ford in den parc fermé gebracht, der nun abgeschlossen war, sodass keine weiteren Manipulationen an den Automobilen vorgenommen werden konnten. An der Motorhaube, den Verschalungen, den Fußbrettern und den Einfüllöffnungen für Kühlwasser waren Plomben angebracht worden – notwendig, um überwachen zu können, ob während der Fahrt Eingriffe erfolgt waren. Mac hatte das Bordbuch erhalten, dessen Kopie die Fahrleitung innehatte. Die Fahrer mussten ihr mitgeführtes Buch jeden Abend den Kontrolleuren übergeben und wenn nötig Schäden oder Beschwerden melden. Ein straffes Reglement gab vor, für welche Fehler es Strafpunkte gab, die ebenfalls darin notiert wurden. Einige Positionen darin fand Mac bedenklich, aber im Grunde hatte er Vertrauen in seine Fahrkünste und in die Maschine, deren Motor er fachkundig gewartet und auf dessen Leistung er sich bisher immer hatte verlassen können.
Ein strafpunktfreier Sieg war seine große Chance.
Das Bankett könnte sie ihm schon im Vorfeld nehmen.
»Es wird Zeit für den Smoking, Mac.«
Hans hängte den schwarzen Anzug an den Schrank, und Mac nickte. Es war unumgänglich, Gesellschaftskleidung
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