Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
herab die Schlachtenlinien beobachtet hatte, war ihm das Grauen der Grabenkriege nicht verborgen geblieben.
»Verdun«, murmelte Hans. »Wir waren heute an der Gedenkstätte. Sie waren auch dort?«
»Nein, ich hatte meinen Kampf mit dem Personal auf dem Flugfeld auszufechten. Ein deutscher Flieger ist da nicht willkommen.«
Hans nickte.
»Verständlich.«
»Ja nun. Ich hab es bis hierhin geschafft. Also, Major Schulze kam wieder auf die Beine, und als die Luftwaffe aufgelöst wurde, schaffte er es, eine Rumpler zu Privatzwecken zu erwerben und umzubauen. Er hat einen Kurierdienst aufgebaut. Ich bin ihm in Berlin wiederbegegnet und – tja, er hat mich nicht vergessen.«
»Ihr Freund?«
»Ein guter Freund, in vieler Hinsicht. Er hat mir geholfen, die Fluglizenz zu erwerben. Manchmal leihe ich mir die Rumpler aus, und diesmal … Weißt du, ich habe Ziele. Und das hier war eine Chance, ihnen näher zu kommen.«
»Es ist gut, Ziele zu haben.«
Die Quiche Lorraine wurde uns serviert, und ich schnupperte erfreut.
»Was sind deine Ziele, Hans?«
»Die Rallye zu gewinnen.«
Ich lachte.
»Will das nicht jeder?«
»Nein. Manche beteiligen sich nur aus Spaß daran. Aber für Mac und mich hängt einiges daran.«
Ich nahm den ersten Bissen des deftigen Kuchens, und mein hungriger Magen jubelte auf.
»Wo hast du MacAlan getroffen?«, rutschte mir heraus, obwohl ich mich eigentlich nicht besonders intensiv mit ihm befassen wollte. Und wieder wurde Hans’ Miene verschlossen.
»In Ypern«, antwortete er kurz.
Ypern war auch eine dieser Höllen. Vielleicht redete er deshalb nicht gerne darüber.
Ypern.
»Mein Verlobter starb bei Ypern.«
Hans ließ die Gabel sinken.
»Lassen Sie uns über andere Dinge sprechen, Emmalou. Warum sind Sie nicht bei Ihrer Schwester geblieben? Sie hatten ein Talent für die Hotelwirtschaft. Schon als junges Mädchen.«
Schon wieder einer, der in mir nichts anderes sah als ein Zimmermädchen. Mit mehr Schärfe, als ich wollte, sagte ich: »Nein, Hans, habe ich nicht. Zimmer aufräumen, Reservierungen prüfen, Unterhaltung organisieren – immer an einem Ort bleiben, wenn die anderen reisen. Nein, das gefällt mir nicht. Ich will selbst unterwegs sein, ferne Länder sehen, Berichte schreiben.«
»Reisen kann sehr unbequem sein.«
»Möglich, aber auch sehr aufregend. Bist du viel gereist? Wo hast du all die Jahre gesteckt?«
Er zuckte mit den Schultern und trank von dem Wein.
»Frankreich, Spanien, Marokko …«
»Marokko? Oh, orientalische Basare, Teppiche, Moscheen …«
»Staub, hungrige Menschen, Staub, durstige Tiere, Staub, Staub und Staub.«
»Ja, vermutlich, aber doch das andere auch? Was hast du dort gemacht?«
»Als Mechaniker gearbeitet, Autos gewartet, Telefonleitungen repariert. Abd el Krim brauchte europäische Berater, und er zahlte ganz gut.«
Abd el Krim war mir ein Begriff. Der Führer der Rif-Kabylen, offenbar ein gebildeter Mann, der versuchte, sein Volk gegen die Übergriffe der Spanier und Franzosen zu verteidigen. Das eine oder andere Mal war ihm das auch schon gelungen. Etwas überraschte es mich, dass er Deutsche mit technischen Aufgaben beschäftigte. Gerade wollte ich Hans danach fragen, als er plötzlich seine Kappe aufsetzte und sie tief über die Stirn zog. Hinter mir ging ein Mann vorbei zu einem Tisch. Ich drehte mich um und erkannte Oberst von Braunlage, der auch hier in straffer Uniform eingetreten war. Etwas unsensibel, der Mann.
Als ich mich wieder zu Hans wandte, war der verschwunden, nur ein paar Franc-Scheine lagen neben dem Teller.
Da stimmte doch etwas nicht!
Hans hatte Angst, von dem Oberst entdeckt zu werden.
Warum?
Er musste von Braunlage kennen und in irgendeiner unangenehmen Verbindung zu ihm stehen.
Meine Neugier war geweckt.
Der Oberst hatte sich an einem Einzeltisch niedergelassen und studierte die Karte. Er würde noch eine Weile bleiben, also aß ich erst einmal meine Quiche auf. Und da mir der Zwischenfall in Verdun auch die Möglichkeit zu einem Mittagsimbiss genommen hatte, aß ich Hans’ Portion ebenfalls noch auf. Dann nahm ich mein Glas und setzte mich dreist zu Oberst von Braunlage an den Tisch, lächelte ihn strahlend an und hielt ihm meinen Presseausweis unter die Nase.
»Herr Oberst, Sie haben heute die Strecke mit Ihrem Horch offenbar strafpunktfrei bewältigt. Darf ich Sie fragen, ob es irgendwelche Schwierigkeiten gegeben hat?«
Er war ein unerwartet weichgesichtiger Mann mit sehr kurzen, grau melierten
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