Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Haaren und einem rosigen Schmollmund. Ich hatte ihn bisher nur von Weitem gesehen und mir das Bild eines scharfkantigen Mannes mit kalten, grausamen Augen von ihm gemacht. Einem Mann, der gnadenlos und kaltblütig Befehle zum Töten gab. Nun aber lächelte er mich tatsächlich erfreut an und begann, von seinem Automobil zu schwärmen. Ich machte mir eilige Notizen, obwohl ich von dem technischen Kauderwelsch nur die Hälfte verstand. Die Motorenleistung war hoch, die Federung erstaunlich gut, die Straßenlage ordentlich, die vier Seilzugbremsen an den Rädern zuverlässig, die Beschleunigung am Berg zufriedenstellend, die Ausdauer auf langen Strecken beachtlich.
»Die Nonstop-Fahrt heute zwischen Verdun und Metz haben wir mit Bravour gemeistert.«
Nonstop-Fahrt? Da war mir schon wieder etwas entgangen. Ich wagte nicht nachzufragen, um nicht unwissend zu wirken, sondern meinte: »Warum nehmen Sie an der Rallye teil, Herr Oberst?«
»Ziel erreichen, Fräulein. Ziele muss man sich setzen, Ziele muss man erreichen!«
»Eine Herausforderung für Mann und Maschine?«
Er nickte, offensichtlich erfreut über die kernige Formulierung.
»Seit wann besitzen Sie den Horch, Herr Oberst?«
»Vor einem Monat erhalten. Schon mehr als fünftausend Kilometer damit geschrubbt!«
»Wer ist Ihr härtester Konkurrent bei dieser Rallye, Herr Oberst?«
Er überlegte einen Augenblick und straffte dann selbstsicher die Schultern.
»Bisher hat sich noch keiner gefunden.«
»Und Probleme mit Ihrem Wagen hat es auch nicht gegeben?«
»Ein Zündkerzenwechsel. Heute Morgen. Lappalie!«
»Ich danke Ihnen, dass Sie sich die Zeit genommen haben, Herr Oberst. Sie gestatten, dass ich Ihre Anmerkungen in meinem Artikel einbaue?«
»Tun Sie das, Fräulein. Wo wird er erscheinen?«
»Ich stehe in Kontakt mit dem Bunten Blatt, der Berliner Illustrirten und der Berliner Automobil Zeitung .«
»Gut, sehr gut.«
Ich verabschiedete mich und kehrte zu meinem Tisch zurück. Die Bedienung hatte inzwischen abgeräumt, die Geldscheine waren verschwunden. Mochte sie das Wechselgeld behalten. Für mich standen jetzt ein paar Stunden Arbeit an. Es war noch nicht neun Uhr, und möglicherweise war Geraldine inzwischen auch in unserer Unterkunft eingetroffen. Sie würde mir weiteren Stoff liefern.
Sie war da gewesen, ein paar Strümpfe hingen leise tropfend über dem Fußteil des Bettes, der Duft ihres Parfüms schwebte noch im Raum. Von ihr selbst jedoch keine Nachricht. Ich fragte bei der Wirtin nach ihr, die aber wusste nur, dass Mademoiselle vor wenigen Minuten von einem Herrn abgeholt worden war.
Da konnte man nichts machen.
Ich holte meine Notizen hervor und klappte die Wanderer auf.
Aber immer wieder kreisten meine Gedanken um die Begegnung mit Hans.
Er war seit seinem fünfzehnten Lebensjahr bei uns im Hotel Rheinblick tätig gewesen, als Page zuerst, dann als Hausdiener und schließlich als Majordomus. Mein Vater hielt große Stücke auf ihn und hatte ihm mehr und mehr Verantwortung übertragen. Als ich noch ein kleines Kind war, hatte ich immer voll Bewunderung zu ihm aufgesehen. Er war sieben Jahre älter als ich und durfte die Pagen herumscheuchen, die vornehmen Gäste empfangen und meisterte alle Beschwerden und Schwierigkeiten, die so auftreten konnten. Und trotzdem war er ein guter Kamerad, der weder mich noch meine Schwester verpetzte, wenn wir wieder einmal Kekse stibitzten, in den Garderoben Verstecken spielten oder die hysterischen Schoßhündchen vornehmer Damen in den Wahnsinn trieben. Er glättete die Wogen, bügelte die Falten aus und lächelte manchmal über unseren Übermut. Er war es auch, der Wilhelm unter seine Fittiche nahm, als der als Mechaniker und Chauffeur zu uns kam. Den Jungen aus dem Waisenheim schien Hans heimlich zu beneiden, denn Maschinen und Automobile waren ihm damals unheimlich. Aber als die Fitzgeralds und Mac-Alan in den Sommermonaten bei uns auftauchten – junge Männer, die zu allen Schandtaten bereit waren, und denen sich Wilhelm, von den Engländern kurz Will genannt, mit heller Begeisterung anschloss –, da deckte Hans auch deren gewagte Spritztouren und Streiche mit der gleichen, leicht amüsierten Freundlichkeit.
Wo war der gelassene, souveräne Majordomus geblieben?
Hans war ein wortkarges, unsicheres Nervenbündel geworden.
Ypern.
Von Will hatten wir auch nur gehört, dass er nach Ypern abkommandiert worden war. Danach nichts mehr. Aber es gab so viele namenlose Tote …
Oberst von
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