Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Brüstung.
»Ich gehe runter.«
Mac schwang sich über die Brüstung. Die Mauer fiel nicht senkrecht ab, sondern in einem steilen Winkel. Sie hielten ihn von oben, er fand Halt mit den Füßen, kam langsam Meter für Meter nach unten. Ein paarmal stieß er mit Ellenbogen und Knien gegen die schroffen Steine, dann hatte er Geraldine erreicht. Es war eben noch Platz für ihn auf dem bemoosten Podest. Sie lag in einer verkrümmten Haltung da rauf, der Kopf hing zur Seite. Wie schon so oft griff er ganz automatisch nach dem Puls, ohne Hoffnung allerdings. Jedoch spürte er den Schlag unter seinen Fingern. Er sah hoch.
»Sie lebt noch. Trage!«
Sehr vorsichtig tastete er sie ab, zog sie weiter auf die Ebene. Knochenbrüche, vielleicht innere Blutungen. Möglicherweise hatte sie sich auch die Wirbelsäule gebrochen.
Die Trage schwebte nach unten, von oben rief jemand: »Schaffen Sie das alleine?«
»Ich versuche es.«
Verwundete hatte er so viele schon auf Tragen gebettet, aus Gräben gezogen, aus Bunkern und aus Granattrichtern. Er wusste, mit welchen Griffen er die Frau auf die Trage legen musste, und als er sie mit den Gurten fixierte, schlug sie die Augen auf. Desorientiert blickte sie um sich, dann erkannte sie ihn.
»Weg!«
»Nein. Wir bringen Sie nach oben.«
»Weg! Lassen Sie mich sterben!«
Bitterkeit quoll in ihm hoch, und er sagte mit verhaltener Stimme: »Sie werden leben, Geraldine. Eingesperrt in Ihren Körper mit Ihrem Hass und Ihrer Rachsucht. Die Flucht in den Tod ist kein Ausweg.« Dann rief er nach oben: »Zieht sie hoch.«
Er half, die Trage zu stabilisieren, und langsam schwebte sie nach oben.
»Jetzt du, Mac!«, hörte er Chester ihn auffordern. Er richtete sich auf und packte das Seil mit beiden Händen. Sie zogen sacht, aber es schnitt ihm in die Brust, und manchmal konnte er sich mit den Füßen abstützen. An der Brüstung streckten ihm Latour und Beau die Hände entgegen und halfen ihm auf den Boden.
»Sie lieben die Gefahr, mein Freund«, meinte Gregoire leise.
»Ich liebe sie nicht, sie sucht mich.«
Doch der Franzose schüttelte den Kopf.
»Sie suchen sie, MacAlan. Sonst wären Sie nicht hier.«
»Hier?«
»Bei dieser Rallye.«
Mac zuckte mit den Schultern.
»Das sagt ein Mann, der Rennen fährt.«
Latour lachte auf.
»Sicher liebe ich die Gefahr. Aber ich bringe mich nicht um jeden Preis hinein. Reden wir heute Abend darüber.«
»Mal sehen. Gibt es irgendwo eine Möglichkeit, dass ich mich waschen kann?«
»Dort, in der Gaststätte.«
»Komm mit«, sagte Hans und führte ihn zu dem kleinen Ausflugslokal.
Als er aus dem Waschraum zurückkam, wartete eine stämmige Frau auf ihn.
»Ich bin Svenja Sörensen, Mister MacAlan. Geraldine du Plessis ist mit mir gefahren. Ich habe ihr Gepäck ausgeladen und bei der Rennleitung abgestellt.«
»Ah, danke. Wissen Sie, wo sie zu Hause ist?«
»In Berlin. Aber ihre Adresse kenne ich nicht. Sie ist mit der fliegenden Reporterin zusammen gewesen.«
»Das wird herauszufinden sein. Warum hat sie Sie begleitet?«
»Sie flog nicht gerne. Aber ich hatte den Eindruck, dass sie auch einen Groll gegen ihre Freundin hegte. Und … Ich glaube auch, dass sie etwas eingenommen hat.«
»Medikamente?«
»Koks.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Mein Freund ist an dem Zeug zugrunde gegangen. Kein Hunger, kein Durst, kein Schlaf, immer aufgedreht, dann wieder mürrisch und schlecht gelaunt. Sie verhielt sich ähnlich. Schauen Sie ihr Gepäck durch, sie muss einen Vorrat dabeihaben.«
»Darum sollen sich ihr Arzt und ihre Familie kümmern.«
Svenja Sörensen zuckte mit den Schultern.
»Sollten sie wohl. Aber vielleicht erklärt es ihre unselige Tat.«
»Mag sein. Vielen Dank für Ihre Bemühungen, Frau Sörensen.«
Mac wandte sich ab und sah den Oberst in seiner Nähe stehen, der ihn durchbohrend musterte. Zu spät fiel ihm ein, dass er eben Deutsch gesprochen hatte. Nun ja, sei’s drum. Dann musste beizeiten eine deutschsprachige Mutter die Erklärung für diese Kenntnisse liefern.
Die Fahrer standen mit den Kontrolleuren und Presseleuten in Grüppchen zusammen und diskutierten vermutlich den Vorfall. Hans war wieder zum Ford gegangen, und auch er machte sich auf den Weg zum Auto.
»Pistole entsorgt.«
»Danke.«
»Wir starten in einer halben Stunde, hat die Rennleitung durchgegeben. Alles okay, Mac?«
»Was ist schon okay, wenn sich eine verrückte Kokserin von der Staumauer stürzt? Emma wird entsetzt sein, wenn sie es
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