Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
vor die Füße. Der Kontrolleur machte einen Satz nach hinten, als die Mündung auf ihn zeigte.
»Herr Oberst, nehmen Sie Ihre Waffe an sich!«
Verdattert bückte von Braunlage sich. Ja, tatsächlich, es war seine Dienstpistole.
»Habe ich Ihnen doch gesagt, Herr Oberst«, meinte sein Adjutant, und in der Stimme des Dämels klang Hohn mit. Na, das würde noch Folgen haben. Unwirsch schob von Braunlage die Waffe in die Pistolentasche an seinem Gürtel.
»Auftanken, Kerl«, herrschte er seinen Beifahrer an. Der salutierte straff.
Na, ging doch!
40. GESPRÄCH IM HOTEL
Die Liebe, die um Liebe ward betrogen,
glänzt hoch und herrlich gleich dem Regenbogen;
zu seinen Füßen, die in Blumen stehn,
da liegen goldne Schüsseln ungesehn.
Gottfried Keller
F rau Heinemann weckte mich um die Mittagszeit, und als ich mich in ihrem Badezimmer frisch gemacht hatte, war der Tisch gedeckt.
»Ich dachte, es ist gemütlicher, wenn wir hier essen. Wie geht es Ihnen, Emmalou?«
Es ging mir besser. Es lastete zwar immer noch eine schwarze Teerschicht auf meiner Seele, aber jetzt gestand ich mir ein, dass sie da war, und das machte es leichter, sie zu ertragen.
Ich durfte traurig sein.
»Das Leben geht weiter«, murmelte ich und setzte mich ihr gegenüber.
»Ja, das hat etwas Tröstliches. Ich hoffe, Sie mögen das Hühnerfrikassee.«
»Gerne, ja.«
Mein Appetit war auch wiedergekehrt.
Eine Weile aßen wir schweigend, dann begann ich zu erzählen.
»Wilhelm Marten kam 1908 zu uns. Mein Vater hatte ihn eingestellt, weil er das Hotel renoviert und einiges an moderner Technik hatte einbauen lassen. Will war noch jung, er hatte gerade erst seine Lehre als Mechaniker abgeschlossen. Ich war eben elf geworden und besuchte die Mädchenschule in Godesberg. Im selben Jahr kamen auch die Fitzgeralds und die MacAlans erstmals im Sommer zu uns. Sie liebten das Rheinland und waren oft unterwegs. Mir brachten sie immer ausgesuchte Höflichkeit entgegen, nicht nur die Eltern, sondern auch ihre Söhne. Mir schmeichelte es, dass Chester, Beau und Alasdair mich wie eine erwachsene Dame behandelten, und das beschwingte mich, meine Sprachkenntnisse zu vertiefen. Meine Eltern hatten wohl bald erkannt, dass es zukünftig im Hotelgewerbe wichtig sein würde, ein ordentliches Englisch zu sprechen. Ich bekam eine Lehrerin, die mir über das Schulwissen hinaus die Sprache beibrachte. Meine Schwester, Hans und Wilhelm lernten mit mir zusammen, denn auch für sie erachtete mein Vater es für sinnvoll. Im nächsten Sommer, als die Fitzgeralds mit MacAlan wiederkamen, konnten wir uns schon recht gut mit ihnen unterhalten.« Ich lächelte in Erinnerung daran, wie stolz ich war, als die jungen Männer mich überschwänglich lobten.
»Ich habe es auf eine viel härtere Tour gelernt«, meinte Frau Heinemann. »Blauäugig, wie ich war, habe ich ohne die geringsten Kenntnisse der Sprache den amerikanischen Boden betreten. Ich habe allerdings sehr schnell herausgefunden, dass man, wenn man überleben will, sich flugs die notwendigen Kenntnisse aneignen kann. Aber mein Akzent blieb grausig, und vermutlich ist er es noch, nur dass mich jetzt keiner mehr darauf aufmerksam macht. Der Ihre war vermutlich von Shakespeare geprägt.«
»Meine Lehrerin sprach reinstes Oxford-Englisch. Die Fitzgeralds nuschelten aristokratisch, und Mac trat gerne die Vokale schottisch breit. In diesem zweiten Sommer mieteten sich die drei ein Auto, das sie Will zur Wartung überließen. Das brachte meinen Vater auf die Idee, für das Hotel ebenfalls einen Wagen anzuschaffen und Will in den Stand eines Chauffeurs zu erheben, der die Gäste zu ihren Ausflugszielen brachte. Es kam sehr gut an, und ich lernte von meiner Mutter sehr schnell, Picknick-Körbe zu richten.«
»Eine ausgezeichnete Idee.«
»Ja, solange Will bei uns war. Im nächsten Jahr musste er seinen Wehrdienst antreten. Zwei Jahre lang hatte ein knurriger alter Stoffel seine Aufgaben übernommen, aber 1912 kehrte Will zu uns zurück. Er hatte seinen Dienst als Mechaniker für Militärfahrzeuge absolviert, und – tja, war darüber erwachsen geworden. Ich hatte meinen fünfzehnten Geburtstag hinter mich gebracht und sah die Welt, vor allem die männlichen Individuen darin, nun auch mit anderen Augen. Fast gleichzeitig mit Will kamen auch die Engländer wieder zu uns. Und diesmal hatten Beau und Chester ihren eigenen Wagen dabei.«
»Vier junge, vermutlich gut aussehende Herren und zwei Wirtstöchter, ebenfalls hübsch
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