Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
schlossen sich die Schuppen bis auf ein kleines Loch über ihm. Durch die Öffnung schimmerten der dunkle Himmel, Wolken und vereinzelte Sterne.
Der Drache watschelte zum Rand des Dachs, kraxelte auf die Brüstung, breitete die gewaltigen Flügel aus und schlug ein paar Mal mit ihnen.
Dann sprang er in die Tiefe!
Trix sank das Herz in die Hose und ihm schwindelte. Ilin fand jedoch mühelos in den Gleitflug, stieg auf und flog über die nächtliche Erde dahin.
»Klasse!«, rief Trix begeistert. Er lag in der Kuhle auf dem Drachenrücken noch bequemer als in seinem Bett. »Nie hätte ich gedacht, dass es so angenehm ist, auf dir zu fliegen!«
»Genau deshalb wollen wir ja auch nicht, dass die Menschen davon erfahren!«, brüllte der Drache. »Kannst du dir vorstellen, wie das enden würde?«
Das konnte Trix. Zunächst würden die Menschen die Drachen überreden, sie über große Entfernungen hinweg zu befördern. Dann würden sie ihnen ihre Eier stehlen oder abkaufen (schließlich ist die Liebe der Drachen zu Gold allgemein bekannt). Und danach würden die Menschen sie zwingen, Adlige und Zauberer zu transportieren.
»Ich werde niemandem etwas davon erzählen!«, rief Trix. »Ehrenwort!«
Ilin erwiderte nichts. Er flog nach Südosten, links und rechts neben Trix bewegten sich die enormen Schultergelenke rhythmisch auf und ab, im Bauch des Drachen blubberte es immer mal wieder leise. Das ist das schönste Alte Neue Jahr, das ich je erlebt habe!, dachte Trix noch, ehe er einschlummerte. Noch vor Tagesanbruch wachte er jedoch völlig durchgefroren auf.
»Ilin!«, rief er. »Könntest du etwas tiefer fliegen? Hier ist es verdammt kalt!«
Der Drache holte daraufhin nur tief Luft, worauf es in seinem Bauch noch stärker gluckerte – und sich sein Körper unverzüglich aufheizte.
»Vielen Dank!«, sagte Trix. »Genau das habe ich jetzt gebraucht.«
Ilin stieß geräuschvoll eine Flamme aus, sparte sich aber ansonsten jeden Kommentar.
Am Morgen machten sie am Waldrand Rast. Obwohl auch hier noch Winter herrschte, die Luft kalt, der Boden hart und gefroren war, gab es keinen Schnee mehr. Trix erledigte sein Geschäft in den Büschen, Ilin flog zu einem Feld und blieb dort ein paar Minuten sitzen, aufgeplustert und immer wieder zu Trix rüberschielend. Anschließend flog er auf Jagd und kam mit ein paar (gebratenen) Rebhühnern zwischen den Zähnen zurück. Trix aß eins davon, die anderen schlang der Drache hinunter, um sogleich sein Lamento anzustimmen: »Was für kleine Vögel ihr habt. Bei uns in Samarschan, da sind die Vögel groß wie Kühe! Und sie fliegen auch nicht weg.« Der Drache kratzte sich mit der Flügelspitze die Nase. »Allerdings können die Biester unglaublich schnell laufen und schlagen wie wild aus.«
»Sag mal, Ilin.« Bei Tageslicht konnte Trix den Drachen endlich genau inspizieren. »Hast du nur zwei Pfoten?«
»Wie viel sollte ich denn deiner Meinung nach sonst haben?«, blaffte Ilin. »Zwei Pfoten, zwei Flügel! Das reicht völlig!«
Er schob einen Flügel vor und pulte mit den Krallen, die an der Beuge des Flügels saßen (da, wo bei Menschen der Ellbogen ist), geschickt zwischen den Zähnen herum.
»Aber Drachen werden normalerweise mit vier Pfoten und Flügeln gezeichnet«, brachte Trix hervor.
»Und wir zeichnen Menschen normalerweise in Rüstung und mit einem riesigen Schwert.« Ilin legte die Flügel wieder an. »Mit vier Pfoten und zwei Flügeln hätte ich sechs Extremitäten. Dann wäre ich ein Insekt. Sehe ich deiner Meinung nach etwa aus wie eine Fliege?«
»Bestimmt nicht!«, versicherte Trix.
»Zwei Pfoten und zwei Flügel und Schluss«, sagte Ilin.
Nach Trix’ Ansicht sah der Drache, wie er da auf seinen zwei Pfoten hockte, eher wie ein gigantisches orangefarbenes Küken aus. Diesen Gedanken behielt er jedoch klugerweise für sich.
»Sind Drachen magische Wesen?«, fragte Trix nun.
»Magischer geht gar nicht!«, entgegnete Ilin.
Da kam Annette brummend unter Trix’ Umhang herausgeflogen. »Das ist gelogen! Ihr seid kein bisschen magisch!«
Der Drache kniff die Augen zusammen und sah Annette aufmerksam an. »Was ist das nun schon wieder? Ein Parasit, der auf deinem Körper lebt?«
Vor Empörung verschlug es Annette glatt die Sprache. Zornbebend verstreute sie bunten Blütenstaub in der Luft.
»Das ist eine Fee!«, sagte Trix. »Meine Fee. Mein Familiar. Sie ist ein Zauberwesen und ungeheuer stark!«
»Du bist in der Tat ein großer Zauberer, selbst wenn du
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