Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
wohlbeleibte Köche und fidele Weißnäherinnen vorzufinden.
Doch die Wüstenbewohner mussten nach eigenen Regeln kämpfen. Während der Wagen langsam zwischen den angebundenen Pferden und Kamelen, den niedergebrannten Lagerfeuern und Zelten dahinzuckelte, sah Trix sich neugierig um: Die Soldaten kochten sich ihr Essen selbst, schärften ihre Säbel eigenhändig, ja, sie flickten sogar ihre Kleidung ohne fremde Hilfe. Das Auftauchen des Wagens rief ebenfalls kein besonderes Interesse hervor: Anscheinend sorgten die Soldaten also auch noch selbst für ihre Unterhaltung.
Als der Wagen sich bei Tagesanbruch der Oase Djam-war genähert hatte, waren sie von einer berittenen Patrouille angehalten worden. Die wortkargen Soldaten hatten sich Maichels Erzählung angehört, die in der ganzen Welt berühmte Theatertruppe habe beschlossen, eine Vorstellung für die ruhmreichen Krieger des Mineralisierten Propheten zu geben. Daraufhin hatten Abrakadasabs Männer ihnen gesagt, sie sollten sich zur Mitte der Oase begeben, und befohlen, jeder habe eine weiße Binde am Arm zu tragen, als Zeichen dafür, dass der Wagen kontrolliert und die Durchfahrt gestattet worden sei. Entweder fürchtete sich Abrakadasab also nicht vor Spionen und Mördern und vertraute ganz auf seine Armee sowie auf die Stärke seiner Magie, oder die Wüstenbewohner zeichneten sich durch echte Vertrauensseligkeit aus.
Trix nahm jedoch Ersteres an, sosehr es ihm auch missfiel.
Obwohl die Oase Djam-war keineswegs als klein bezeichnet werden durfte, taugte sie kaum für eine Armee dieser Größe. Das Gras war allenthalben niedergetrampelt oder gefressen worden. Bäume gab es auch keine mehr. Die Blätter waren in die Mägen der Tiere gewandert, während Äste und Stämme als Brennholz hatten herhalten müssen. Nur in der Mitte der Oase, in der das riesige Zelt Abrakadasabs stand, fanden sich noch ein Dutzend Palmen, auch sie allerdings schon zerrupft.
Der See war einfach weggetrunken worden, an seiner Stelle klaffte eine Senke mit einem Boden aus eingetrocknetem, rissigem Schlamm. An den Quellen, die früher den See gespeist hatten, schöpften Soldaten mit Ledereimern unaufhörlich Wasser und verteilten es im Lager.
»Die haben die Oase völlig zugrunde gerichtet«, flüsterte Annette Trix ins Ohr, während sie im Wagen dahinzuckelten. »Davon wird sie sich nicht mehr erholen. Bald hat der Sand sie unter sich begraben …«
»Wie schade«, murmelte Trix.
»Es geht nicht darum, ob das schade ist«, fuhr ihn Annette an. »Für die Nomaden ist eine Oase ein heiliger Ort. Wer eine Oase zerstört, macht sich zum Feind eines jeden Wüstenbewohners. Wenn der MP auf die alten Bräuche spuckt, heißt das, er hat nicht die Absicht, in der Wüste zu bleiben. Und wenn seine Soldaten ihm gehorchen, heißt das, sie fürchten ihn mehr als die Gesetze ihrer Vorfahren.«
»Vielleicht stimmt das«, mischte sich da Gavar ein. Er saß am anderen Ende des Wagens. Ob der Tod sein Gehör geschärft hatte? »Aber vielleicht ist ihr Verhalten auch Liebe und Respekt geschuldet. Du machst dir keine Vorstellung, junger Zauberer, welche Wunder die Liebe vollbringt.«
»Möglicherweise ist es auch eine Mischung aus Furcht und Liebe«, brummte Trix, der sich darüber ärgerte, dass Gavar das Gespräch mit Annette belauscht hatte.
»Durchaus denkbar«, pflichtete ihm Gavar bei. »Denn diese Mischung ist unerreicht. Nur der ist ein wahrer Herrscher, der gefürchtet und geliebt wird! Du bist nicht dumm, mein Junge. Aus dir könnte in der Tat noch etwas werden.«
Darauf antwortete Trix nichts. Gavars Lob ging ihm gegen den Strich. Und … gleichzeitig schmeichelte es ihm. Erging es ihm vielleicht gerade ähnlich wie den Untertanen Abrakadasabs? Brachte er Gavar Liebe und Furcht entgegen?
Der Wagen blieb vor den Palmen stehen. Unwillkürlich starrten alle auf das Zelt des Mineralisierten Propheten, das von Kriegern bewacht wurde. Abrakadasab selbst hielt es nicht für nötig, die Neuankömmlinge zu begrüßen.
Dafür erschien ein älterer Krieger auf einem schlankbeinigen, schönen Ross. Der strahlend weißen Kleidung und dem reich verzierten Schwert nach zu urteilen, war er einer der Kommandeure, den Narben in dem markanten Gesicht und der abgegriffenen Scheide nach zu urteilen, ein erfahrener Soldat.
»Gaukler aus dem Königreich«, bemerkte der Mann leise, als er neben dem Wagen stehen blieb. »Steigt aus!«
Ohne jedes Geziere leisteten die Schauspieler dem Mann Folge. Dieser
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