Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
der neben Trix stand. »Zweihundertneunundneunzig Mal? Auf den Kristallenen Inseln?«
»Achtet nicht darauf, das gehört einfach dazu«, beruhigte ihn Bambura. »Wir haben das Stück nur drei Mal im Königreich und ein Mal in Samarschan aufgeführt.«
»Und heute geben wir unsere letzte Vorstellung!«, fuhr Maichel fort. »Zum Abschluss der Saison! Eine Abschiedsvorstellung! Die Geschichte handelt von Kabalen und Liebe, von Verrat und Edelmut! Von der Rettung der schönen, jungen Fürstin und der Bestrafung des schrecklichen, niederträchtigen Vitamanten!«
Nach diesen Worten verbeugte Maichel sich und verschwand hinter die Kulissen. Die Nomaden begleiteten seinen Abgang mit lautem Säbelgerassel, das sie dem Händeklatschen vorzogen. Obwohl es freundlich gemeint war, klang es furchteinflößend, so dass ein Kloß Trix’ Kehle abschnürte. Er schluckte ihn jedoch umgehend hinunter.
»Auf die Bühne mit dir!«, raunte Bambura und stupste Ernek in den Rücken. »Setz dich auf den Stuhl und träume von Trix!«
Widerwillig trat Ernek hinter der Kulisse hervor, setzte sich auf den Stuhl und reckte die Arme kurz zum Himmel. Die Zuschauer verstummten. »Meine Ruh ist hin, mein Herz ist schwer!«, säuselte er. »Ich, die Fürstin Tiana, eine unglückliche Waise, soll mit Evykait, dem Anführer der Vitamanten, zwangsverheiratet werden! Deshalb bin ich aus dem Palast geflohen und habe bei dem guten Jüngling und Zauberlehrling Trix Zuflucht gesucht. Doch bin ich hier sicher? Schließlich verfolgt mich der Ritter und Magier Gavar Villaroy!«
Maichel, den Hitze wie Aufregung in Schweiß badeten, tupfte sich das Gesicht unablässig mit einem Tuch ab. »Das Leinen von Abrakadasabs Zelt ist gerade zurückgeschlagen worden«, flüsterte er Trix und Gavar zu. »Aber ich habe ihn nicht herauskommen sehen. Offenbar verfolgt er das Stück von seinem Zelt aus.«
»Das spielt keine Rolle«, meinte Gavar hochnäsig. »Wir werden auch so mit ihm fertig.«
Nun schickte Maichel Bertek mit einem Stoß auf die Bühne.
»Oh Bruder!«, rief Ernek, wobei er die Arme wieder in die Höhe warf. Seine Vorstellung von Mädchen beschränkte sich offenkundig darauf, pathetische Ausrufe von sich zu geben und mit den Armen durch die Luft zu rudern. »Mein geliebter Halbbruder Hallenberry, der du mit mir das Leid der Flucht zu teilen bereit bist. Was willst du mir sagen?«
Kaum warf Bertek einen Blick auf die Zuschauer, brachte er keinen Ton mehr heraus.
»Hast du vielleicht jemanden gesehen, der sich diesem Haus nähert?«, sprang ihm Ernek zur Seite.
Bertek blieb stumm.
»Diese Stümper!«, knurrte Gavar und betrat mit schwerem Schritt die Bühne. Bei seinem Erscheinen lief ein verschrecktes Heulen durch die Reihen der Krieger. Gavar sah in der Tat wie eine lebende Leiche aus, bleich, mit toten Augen und spitz hervortretenden Wangenknochen. Kurz und gut, er sah genau wie der Untote aus, der er war.
»Er wird dir nicht antworten, Fürstin!«, tönte Gavar. »Denn ich habe ihn mit einem Schweigezauber belegt!«
»Ich habe gesehen, wie der Vitamant Gavar sich diesem Haus nähert!«, platzte es genau da aus Bertek heraus.
»Den ich gerade eben wieder aufgehoben habe!«, rettete Gavar die Situation.
»Sollten wir uns nicht lieber verstecken, solange Gavar noch nicht hier ist?«, spulte Bertek seinen Text ab.
»Und da ich für ihn unsichtbar bin, bemerkt er mich jetzt nicht einmal«, zog Gavar die nächste Erklärung aus dem Hut.
»Was für ein Schauspieler!«, flüsterte Maichel. »Ein geborener Bühnenmann! Wenn er in meiner Truppe wäre – wir würden die ganze Welt erobern!«
»Und dass Bertek lauter Unsinn von sich gibt … fällt nicht ins Gewicht?«, fragte Trix leise.
»Papperlapapp! Das passiert jedem Schauspieler hin und wieder. Dann ist etwas gefragt, das sich Improvisation nennt. Und das gefällt den Zuschauern sehr!«
Bertek fasste sich nun endlich und fand sich in seine Rolle: Er warf sich mutig auf Gavar, trug eine Verletzung davon und ging höchst eindrucksvoll zu Boden. Trix dachte an den echten Klaro, der sich im Küchenschrank versteckt hatte, sagte jedoch nichts: So nahm das Geschehen in der Tat einen spannenderen Lauf.
Gavar verhöhnte derweil die Fürstin, bespottete ihre Flucht, drohte, sie in den Frachtraum des Schiffs zu den fiesen Ratten zu sperren und packte sie schließlich beim Arm, um sie hinter die Kulissen auf der linken Seite zu schleifen.
Die Zuschauer brachten einmütig ihr Wohlgefallen zum Ausdruck,
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