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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Kleider, die man ablegt, ohne noch einen Gedanken darauf zu verschwenden, daß sie dich gewärmt haben?«
    Es war angenehm, nachts nicht allein in der großen Lederdecke zu sein, die Ninurta tagsüber zusammengerollt um die Schultern trug; angenehm, daß sie einander wärmen konnten im Winter des Berglands; angenehm, aneinander die Gier zu stillen, wenn jenes Jucken einsetzte, gegen das Kratzen nicht hilft. Aber tiefer ging es nicht.
    In den gebirgigen Einöden kehrte tags, wenn sie schweigend stiegen oder gingen, vor allem aber nachts das scheußliche Tier in Ninurtas Kopf zurück. Es gab reichlich Anlässe, mit den falschen Gedanken zu beginnen, die bei dem Tier endeten oder es weckten. Irgendwann erzählte er Lamashtu von den uralten Bergwegen, die assyrische Händler schon vor sechs oder sieben Jahrhunderten gegangen waren, bevor die Hatti in diese Länder kamen; vielleicht sogar schon zu einer Zeit, als es noch nicht einmal Luwier gab. Danach schrappte und riß das Tier in seinem Kopf: als ob die bloße Erwähnung von Assyrern zu Ashur und zum König führte, der einer der Schatten hinter Ninurtas Gedanken war.
    Bei einer anderen Gelegenheit, als sie in der Nähe einer größeren Straße übernachteten, gesellte sich abends ein wandernder luwischer Gaukler zu ihnen. Er berichtete von den Unruhen in Kizzuwatna (dem Land, das Ninurta Kilikku nannte), einst unabhängig, nun schon lange unter Hatti-Vorherrschaft; von Gerüchten aus dem Norden, daß die streitbaren Frauen von Azzi sich jenen anschließen wollten, die mit Madduwattas an den Grenzen des Hatti-Reichs knabberten; von Boten des Fürsten von Wilusa, die überall Bundesgenossen, Helfer und Söldner für den Krieg suchten, den die Achiawer bald beginnen würden. In dieser Nacht zerrte das Untier Ninurta durch die Hohlwege des Erinnerns hin zum steilen Wilusa, wo Prijamadu geflügelte Worte sprach – Worte mit Sensenflügeln, die nicht fliegen, wohl aber schneiden konnten. Schatten, scharfkantige Schatten im weichen Gewirk seines Inneren.
    Tage später trafen sie einen Mann aus Lukku, oder Lugga, wie die Hatti sagten. Er erzählte, er habe sich zu lange in Geschäften im Binnenland aufgehalten, in der Nähe von Ijalanda, wo der Kastenberg die Straße sperre und die Hatti- Krieger der Bergfestung jeden Wanderer bis auf die Haut auszögen. Zu lange habe er sich dort aufgehalten, in schlechten Geschäften, und nun müsse er durch den Winter wandern.
    »Tausend Streitwagen«, sagte er, »haben sie nach Alashia gebracht, heißt es in der Festung, und zwei Zehntausendschaften Kämpfer. Aber sie kommen wohl nicht voran gegen die anderen – Fremde und Alashier, die für die vertriebenen Stadtfürsten streiten, und Männer aus allen westlichen Küstenländern.«
    Der Mann hieß Suqarattu und kam eigentlich, wie er sagte, aus Milawatna, lebte aber schon lange weit südlich davon. Ninurta fand das Gespräch zunächst mühsam, bis er endlich aus dem Wust von Knack-, Kehl und Schnalzlauten die Muttersprache des Mannes heraushörte, dessen Assyrisch erbärmlich war und dessen Luwisch von eisigem Wind durch schartige Felsen gepreßt schien.
    Sein richtiger Name war Sukrattes; er gehörte einem der östlichen Muqannu-Stämme an, verwandt mit den Achaiern. Ohne Rücksicht auf Lamashtu wechselte Ninurta die Sprache; es war einfacher, hin und wieder etwas für die Babilunierin aus dem Achaischen zu übersetzen, als unter den Lauten, die Sukrattes in fremden Zungen von sich gab, Vertrautes zu suchen. Eine große Erleichterung, nicht länger überlegen zu müssen, ob Gylgylyq ein Ungeheuer der Lukka-Sagen war oder verwunschener Ort im Jenseits – Sukrattes meinte Kilikku, oder Kizzuwatna, oder Chilaku, aber wenn er sein eigenartiges Ost-Achaisch redete, sagte er Kilikien, und das verstand Ninurta mühelos.
    Sukrattes wußte erstaunlich gut Bescheid über die Dinge im Binnenland und die an der Küste, zu der er erst heimkehren wollte. Gefechte überall, sagte er; neben dem Heer auf Alashia hätten die Hatti auch eines im Inneren zusammengezogen, mehrere tausend Streitwagen und abermals mindestens zwei Zehntausendschaften, aber wozu das alles?
    »Madduwattas ist ein gerissener alter Schurke, hat sich ganz Arzawa angeeignet. Er denkt nicht daran, große Heere aufzustellen; er hält mehr von Überfällen – Steine, weißt du, die von einem Steilhang herabrollen und ein paar Streitwagen zertrümmern; oder Pfeile, die eine Hundertschaft Fußkämpfer unterwegs halbieren und deren

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