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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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sowie mehreren Stückchen vom Festland, wo Fürsten saßen, deren Reichtum nur übertroffen wurde von ihrer Einfallslosigkeit im Umgang damit. Nichts konnte mich verlocken, die geliebte Gemahlin, ach und das feine Söhnchen sowie auch die fetten Schweine Ithakas zu verlassen, um im fernen wilden Osten die Schandtaten des Herakles zu wiederholen. Als ich erfuhr, daß Palamedes unterwegs war, um neben anderen Fürsten auch mich zur Teilnahme zu verpflichten, wog ich mancherlei Dinge ab.
    Es werde, hieß es, eine Fürstenberatung in Knossos geben, weit weg von Sparta und den sonstigen achaischen Ländern. Es traf sich gut und natürlich rein zufällig, daß Priamos in diesen Tagen seine besten Söhne als Gesandte losschickte, mit dem Auftrag, die Achaier wenn nicht um Hilfe, so doch wenigstens um Stillhalten zu bitten. Zufällig hatte Palamedes einen alten Freund in Ilios – Antenor. Zufällig hatte er von diesem erfahren, daß der für Sparta vorgesehene Sohn des Priamos Alexandras sei, Parisiti genannt, oder für uns schlicht Paris. Von diesem wiederum wußte man, daß ihn die Vermählung mit der tugendhaften Oinone so sehr begeisterte, daß er mit jeder fremden tugendhaften Gattin ähnliche Begeisterung anstrebte. Und da er nach Sparta reisen würde, wo die tugendhafte und unersättliche Helena weilte, schien es Palamedes sinnvoll, dafür zu sorgen, daß Menelaos sich zufällig nicht in Sparta befände.
    Es ergab sich also die Gelegenheit, für den beschlossenen Krieg einen weiteren Grund zu finden. Nicht, daß dieser Grund jemanden überzeugt hätte, aber die Leute wollen belogen werden, wenn sie schon in einem unnützen Krieg sterben sollen.
    Ich wollte nicht, wie gesagt. Als Palamedes mit seinen Leuten erschien, litt ich an heftigem Wahnsinn. Ich hatte Esel vor den Pflug gespannt, den ich unter gewaltigem Muhen und Brummen schob, und dabei warf ich Salz hinter mich, auf den Acker. Palamedes ließ sich von Penelope meinen Sohn geben, dessen Anblick, wie er ihr sagte, meinen Wahn vielleicht heilen könnte – und Penelope gab ihm Telemachos, obwohl sie von der Unheilbarkeit meines Witzes wußte. Lange habe ich erwogen und bedacht, ob sie alles geahnt, gewußt, gewollt hat: ob sie dafür sorgen wollte, daß ich mit den anderen aufbrach. Ob sie, wozu auch immer, einige Jahre allein auf Ithaka verbringen wollte – das heißt, zweifellos nicht allein, aber ohne mich. Amphinomos und Duilichos, Fürsten benachbarter Gegenden, waren in der letzten Zeit oft zum Weintrinken und Reden gekommen, wenn ich andere Dinge zu tun hatte.
    Aber gleichviel. Palamedes legte Telemachos zwischen Esel und Pflug, und um den Sohn zu retten, mußte ich den Pflug über ihn hinwegheben. Also war ich verständig, also konnte ich mich nicht weigern – man hätte mich ausgestoßen und den nächsten Krieg gegen mich geführt, oder vielleicht Ithaka verwüstet, ehe man nach Ilios zog.
    – – – Was für eine Frage! Schuld, Sünde?! Ist das ein Haufen neuer Gedanken aus Babylon? Gut, böse, rosenfarbige Tugend, gepökelte Weltflucht, scharfkantiges Mitleid, was denn noch? Es gibt keinen Lohn jenseits der Beute, keine Strafe jenseits von Niederlage und Tod. Wer sollte lohnen, wer strafen? Die Götter? Sie belohnen, was ihrer Willkür gefällt, und sie bestrafen, was ihre Willkür kränkt. Tantalos? Er hat nichts Böses getan, ihr Holden; ich finde die Vorstellung, den eigenen Sohn zu schlachten, zu braten und Göttern zum Gastmahl vorzusetzen… ja, wie finde ich die Vorstellung? Ganz allgemein: scheußlich; bezogen auf Telemachos finde ich sie furchtbar. Aber die Götter haben Tantalos nicht gestraft, weil er Pelops geschlachtet hat – sondern weil sie sich von Tantalos geschmäht und verhöhnt fühlten. Solange wir nicht der Willkür der Götter Anlaß zu Mißfallen geben, erfahren wir keinerlei Sonderbehandlung. Wir gehen alle in den Hades, ob ms Reich von Pluton und Persephone oder, wie es bei euch heißt, Nergal und Ereshkigal… Ah! Habe ich euch erstaunt? Barbarischer Achaier aus dem fernen Westen, von der grünen Insel Ithaka, kennt sich in Babylons Hades aus? Ha, er kennt sich auch mit den Jenseitsbarken und Finstergöttern der Romet aus, mit Anubis und Osiris.
    Aber dies beiseite. Strafe, Lohn, gute und böse Taten? Was kann edler sein, als in offenem Kampf einen Feind zu zerschmettern? Ich hatte keine Lust , versteht ihr – keine Lust, mit einigen tausend Achaiern eine Stadt zu belagern, verwundet zu werden, vielleicht zu sterben,

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