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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Herkunft keiner kennt, weil sie hinter Felsen hervorfliegen.«
    »Wie weit hat Madduwattas seine Herrschaft nach Süden ausgedehnt?« sagte Ninurta. »Hält er schon die Küste? Und es gibt da Geschichten über rote Priester. Und Menschenopfer.«
    Sukrattes schob die Unterlippe vor. »Priester? Opfer? Ich weiß nichts davon. Und die Küste hält er bisher wohl nur im Westen, nicht im Südwesten.«
    Eigentlich waren ihre Wege gleich: durch Pitassa, das Sukrattes Pisidien nannte, bis nach Lukka, Lykien; von dort mußte es möglich sein, nach Yalussu auf Roddu zu gelangen. Aber Ninurta und Lamashtu hatten sich noch immer vor den Hatti zu hüten; Sukrattes dagegen brauchte derartige Befürchtungen nicht zu hegen. Grinsend kramte er in seinem schweren Beutel, zog mehrere Bronzesiegel hervor, betrachtete sie, und steckte sie wieder ein, bis auf eines, das er Ninurta zeigte.
    »Ein Befehlssiegel der Hatti, siehst du? Wegerecht und Freiheit vor Übergriffen.« Er rümpfte die Nase. »Es wird mich nicht gegen fremde Söldner und Leute aus Achiawa oder Ilios schützen, auch nicht gegen die Seeräuber, die wieder aufblühen, seit die Hatti geschwächt sind. Aber immerhin – deine Sorgen brauche ich nicht zu haben.«
    Am Morgen verließ er sie; Ninurta stand auf dem Grat und sah ihm hinterher. Sukrattes wandte sich noch einmal um und winkte; dann folgte er dem scharfen Schatten des Grats ins Tal. In der rechten Hand hielt er den Bogen und zwei Pfeile; Köcher und Beutel hingen über der linken Schulter.
    Lamashtu trat zu Ninurta. »Das Siegel«, sagte sie, wie nebenher.
    »Sehr nützlich. Wenn man so etwas hat. Warum?«
    »Wäre es nicht hilfreich, es zu haben?«
    Ninurta bleckte die Zähne. »Ich habe daran gedacht.«
    »Und warum hast du ihn nicht getötet? Auch sein schwerer Beutel…«
    »Er hat mir nichts getan.«
    Lamashtu stemmte die Hände in die Hüften und blickte ihn kopfschüttelnd an. »Du erstaunst mich immer wieder, Herr. So weich… Wie hast du es zu Wohlstand gebracht?«
    Ninurta schaute hinab ins Tal, wo Sukrattes sich inzwischen vielleicht fünfzig Schritte entfernt hatte – langsam, dem Schattenriß folgend.
    »Wohlstand?« sagte der Assyrer. »Ah, viele Gründe. Einer ist, daß ich nie leichtfertig war. Oder selten. Siehst du, daß er nicht dem Pfad folgt, sondern dem Schatten des Grats, auf dem wir stehen? Er hält den Bogen und zwei Pfeile bereit. Eine falsche Bewegung von uns, die er an unseren Schatten sieht… Hast du nicht bemerkt, daß er nicht geschlafen hat? Er war müde und nicht sehr gesprächig, heute früh.«
    Lamashtu schwieg; ihre Miene zeigte nichts.
    »Er hat mehrere Siegel. Zweifellos auch eins von Madduwattas. Ich nehme an, er ist einer der Spitzel des gerissenen alten Fürsten. Deshalb will er nichts von Priestern wissen. Sicher ist er nicht leicht zu töten.«
    Noch immer schwieg Lamashtu.
    »Und Wohlstand habe ich erworben, indem ich auf allseitigen Vorteil achte. Man soll andere nur so sehr betrügen, daß sie es erheitert bemerken, aber ohne Schmerz. Sie werden dann versuchen, beim nächsten Handel mit dir abermals erheitert zu werden oder sich heiter zu rächen. Wenn es wehgetan hat, machen sie keinen zweiten Handel mit dir.«
    »O ihr Götter…«
     
    Gegen Mittag rasteten sie in einem geschützten Hochtal, wo die Sonne in den letzten Tagen den Schnee geschmolzen und Hänge und Sohle bunt gefärbt hatte. Lamashtu stieß einen Laut des Entzückens aus, warf ihren Umhang und den Beutel neben die kleine, von Büschen umstandene Quelle und lief zum Nordhang. Ninurta folgte ihr, langsamer; als er sie erreichte, kroch sie auf den Knien zwischen neu aufgesprossenen Pflanzen herum. Wieder und wieder berührte sie Blätter oder unfertige Blüten mit der Fingerspitze; sie nannte Namen, die Ninurta nicht kannte, und erzählte von den wundersamen Wirkungen:
    »Dies, getrocknet, zerstoßen, in Essig gekocht, dazu ein paar Stäubchen« – es folgte ein weiterer unbekannter Name – »ist eines der besten Mittel, jenes Zerren und Zucken zu erzeugen, das in Gebrüll übergeht, mit Schaum vor dem Mund, und schließlich zum Tod in Krämpfen und Verrenkungen führt. Das hier, aufgekocht, geseiht, verdünnt, noch einmal aufgekocht, mit Bier getrunken, verursacht schlimme Träume, unverdünnt verhilft es zu Wahnsinn.« Pflanzen, die Geschwüre und Blutstürze bewirkten, die zu Qualen und Tod führten… Lamashtu redete, sprudelte, wie berauscht: eine Art Vernichtungstaumel, wie ihn Krieger in der

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