Trojanische Pferde
wieder auf, dass ihre Erklärung ihn vollkommen zufriedenstellen würde.
»Willst du dich nicht hinsetzen?« Sie ging zurück zur Sitzecke und setzte sich ans eine Ende des Sofas, sodass am anderen Ende genug Platz für ihn blieb.
Daniel rührte sich nicht. Sein kurzer Wutanfall hatte jedes Verlangen aufgezehrt, ihr eine Ansprache zu halten. Jetzt wollte er, in seinem wie auch ihrem Interesse, die Sache einfach abschließen. Niemandem war damit gedient, noch einmal alles durchzukauen.Sein Vertrauen war verletzt. Sie hatte ihm eine falsche Identität und falsche Absichten vorgespiegelt, er wollte damit nichts mehr zu tun haben, und dieser Tatsache mussten sie beide ins Auge blicken.
Zögernd entschied sich Daniel für einen Queen-Anne-Sessel gegenüber der Couch. Lydias Hände waren reuevoll im Schoß gefaltet, die Knie zusammengepresst. »Lass mich vorausschicken, dass ich emotional reagiert habe. Ich fühlte mich in meiner Privatsphäre verletzt. Du hattest mein Zimmer in Milford ohne meine Erlaubnis betreten. Das hat mich aufgeregt, dann wütend gemacht, und so ist die Sache schließlich eskaliert.«
»Das rechtfertigt nicht dein Verhalten.« Daniel fühlte sich ihr erschreckend fern.
»Ich will gar keine Entschuldigungen vorbringen. Ich versuche nur zu erklären. Und ich weiß, dass meine Reaktion überzogen war, aber du hattest mir immerhin zugesichert, dass das mein Zimmer sei. Mein privater Rückzugsraum.«
Ungeduldig auf seinem Sessel herumrutschend, fragte sich Daniel, was das für eine Rolle spielte. Dennoch antwortete er. »Und was hat es mit all dem Bargeld auf sich? Und den Pässen?« Er hörte die Resignation in seiner Stimme. Er würde konsequent bleiben, darauf bestehen, dass sie ging. Diese lobenswerte Standfestigkeit sollte ihm doch eigentlich Auftrieb geben, oder? Andererseits spürte er jetzt deutlich, wie ungeheuer schmerzlich es für ihn sein würde. Und er musste feststellen, dass er sich Sorgen um Lydia machte.
»Es ist nicht so schlimm, wie es vielleicht den Anschein hat.« Ihr Blick, aus vorgebeugter Haltung, war ein dringender Appell an ihn. »Na schön, ich bin keine Fotografin. Ich bin Exporteurin. Die Pässe und das Bargeld gehören zu den Mitteln, mit denen ich staatliche Restriktionen umgehe.« Sie suchte sein Gesicht nach einer Reaktion ab. Er kam ihr in keiner Weise entgegen. »Manchmal arbeite ich für ausländische Regierungen. Nichts Illegales, es geht nicht um Waffen oder dergleichen, aber ich exportiere Maschinen und Ausrüstungen, Computer. Sensible Gegenstände.«
»Warum dann die Lügen? Was war denn so schwerwiegend, dass du nicht mit mir darüber reden konntest?« Er beobachtete sie jetzt ganz genau.
Na los. Bringen wir’s hinter uns.
»Manchmal werde ich beobachtet. Ich hatte Angst, ich könnte dich abschrecken, wenn ich dir alles erzählen würde. Mehr steckt nicht dahinter. Irgendwann hätte ich’s dir natürlich gesagt.«
»Das ergibt keinen Sinn.« Warum sollte sie sich eine solche Räuberpistole ausdenken? All die – durchweg unbefriedigenden – Erklärungen, die er in den letzten Tagen durchgespielt hatte, kamen ihm wieder in den Sinn. Drogen. Irgendein Betrug, vielleicht sogar Spionage. Der bloße Gedanke daran, womöglich neben einer Spionin geschlafen zu haben, versetzte seine Eingeweide in Aufruhr. Er setzte sich gerade, wie um die bösen Träume abzuschütteln, die ihn heimsuchten. Dann: »Ich liebe dich.« Er stockte, konnte kaum glauben, dass er ausgerechnet diesen Moment gewählt hatte, es auszusprechen, es überhaupt zu sagen. »Aber du hast mich angelogen. Ich traue dir nicht. Ich weiß nicht mal, wer du bist.« Er sah sie mit distanziertem Blick an, spürte den bittersüßen Schmerz einer beendeten Affäre. Lydias Augen standen voller Tränen.
»Es gibt nicht viel, was ich sagen kann, außer wie viel du mir bedeutest, wie leid es mir tut und dass ich gerne versuchen würde, alles zu erklären.«
Daniel wollte, dass sie endlich aufhörte. Warum ließ sie nicht locker? Warum bestand sie auf ihren Erklärungen?
»Manchmal klingt die Wahrheit ein bisschen seltsam«, sagte sie, sich noch weiter vorbeugend.
Seltsam ist gar kein Ausdruck
.
Lydia atmete tief durch. »Wenn ich dir erzählen würde, wie oft ich zum Beispiel diesen ganzen IRA-Quatsch umgehen musste.« Sie hob den Kopf. »Hast du mal versucht, mit einem britischen Pass nach Nordirland einzureisen – oder ein arabisches Land zu betreten oder zu verlassen, wenn du israelische
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