Trojanische Pferde
bis sie das Wasser laufen hörte, kalkulierte unterdessen, wie viel Zeit sie hatte. Es konnte eine Weile dauern, den geeigneten Platz für das Tonband zu finden, vielleicht fünf Minuten, alles in allem. Sie stand auf und ging, immer noch nackt, in den Vorraum. Sie musterte das Sofa, im Hinterkopf immer die Reichweite des Aufnahmegeräts – zwanzig Meter. Ihr Blick fiel auf einen Beistelltisch mit Gittertür, in dem nie etwas aufbewahrt wurde. Das war’s, jetzt hieß es schnell zu Werke gehen. Sie lief in ihr eigenes Zimmer, das an Ibrahims Empfangsraum angrenzte.
Eine Frau stand mitten im Zimmer. Sasha schoss das Blut ins Gesicht, der Schreck ging ihr durch Mark und Bein. »Nafta!«
»Du bist ein bisschen sehr leicht angezogen, Schwester.«
Sasha musste lachen. Sie gab der Freundin einen Kuss auf die Wange. Sie würde sich ihren Morgenmantel überziehen, dann in Ibrahims Vorraum zurückgehen und das Tonbandgerät verstecken. Aber wenn Nafta ihr nun folgte? Und was hatte sie hier überhaupt zu suchen? »Was machst du hier?«
»Ich wollte nicht zur Verfügung stehen«, sagte sie. Erst jetzt bemerkte Sasha, wie aufgelöst sie war. »Um Abdul und Walid Gesellschaft zu leisten.« Nafta wandte den Blick ab. Offenbar schämte sie sich, sich überhaupt solche Gedanken machen zu müssen, schließlich war sie selbst einmal die Favoritin gewesen. »Ich hoffe, du hast nichts dagegen«, sagte sie. »Ich hab mir gedacht, dass sie hier nicht nach mir suchen werden.«
»Überhaupt nicht.« Sie umarmte Nafta, dann schlüpfte sie in ihren Morgenmantel, das kleine Aufnahmegerät war unauffällig in der Tasche versteckt. »Ich komme wieder, sobald Ibrahim ins Ministerium gegangen ist. Wir lassen uns einen kleinen Imbiss bringen.«
Bedrückt über die Situation ihrer Freundin, kehrte Sasha in Ibrahims Wohnung zurück. Alles still und Ibrahim immer noch in der Dusche. Gut. Sie öffnete die zwei Türen des Beistelltisches, ohne Händezittern, mit klarem Verstand, aber flacher Atmung. Sie legte das Tonbandgerät in das Fach und stellte die langsame Geschwindigkeit ein, die Tom zufolge eine Aufnahmedauer von vier Stunden ermöglichte. Als sie die Türen wieder schloss, hörte sie, wie die Dusche abgestellt wurde, und eilte in Richtung Schlafzimmer. Dann ein jäher Schreck: Sie hatte ihre Fingerabdrücke nicht abgewischt! Keine Zeit mehr dafür, sie würde das später erledigen müssen. Dann dachte sie daran, dass man, falls das Gerät gefunden wurde, vielleicht eins der anderen Mädchen verdächtigen würde. Sie sah Nafta in ihrem Zimmer vor sich und beschloss, sich nicht um die Abdrücke zu kümmern. Falls die Sache aufflog, sollte niemand anders an ihrer Stelle festgenommen werden.
Sie warf den Morgenmantel ab und schlüpfte unter die Bettdecke, aber die Erleichterung darüber, ihren Job glücklich erledigt zu haben, wurde sogleich von einem beunruhigenden Gedankenvertrieben: Genauso riskant, wie das Gerät zu platzieren, war es, die Bänder sicherzustellen. Und sie abzuhören. Und Kopien zu machen und diese zu verwahren. Um das Material für Jassar zu sichern. Ihr wurde verdammt mulmig zumute.
Sasha begriff, dass sie ein geschäftsmäßigeres Verhalten an den Tag legen musste, denn die selbstgefällige Mitarbeiterin der US-Botschaft zögerte kurz, bevor sie sie passieren und den Konferenzraum betreten ließ, in dem Tom auf sie wartete.
»Ich bin fassungslos. Sie werden es nicht glauben«, sagte Sasha, das Tonband in der Hand. Am Telefon hatte es Streit mit Tom darüber gegeben, ob sie das Band herbringen sollte – und darüber, dass sie überhaupt angerufen hatte –, aber es war wirklich dringend.
»Keine Sorge, ich werd’s glauben.«
»Hören Sie sich das an«, sagte sie, während Tom das Band einlegte und das Gerät laufen ließ.
Abduls Stimme war zu hören. »Es ist also beschlossen. Wir bombardieren die Militäranlagen, sobald wir die Pläne haben.«
Dann Ibrahim: »Ich kann sie besorgen. Es dauert vielleicht etwas, aber ich kriege sie. Ich komme Ende Juni aus dem College zurück.«
Walid war der Nächste: »Das dauert zu lange!« Tom hob die Hand, als Sasha auf Schnellvorlauf schaltete.
»Moment«, sagte er.
»Den Rest können Sie sich später anhören.« Sie stoppte das Band, fand die nächste Stelle zum Vorspielen.
Jetzt wieder Walid: »Ich bin befugt, für Scheich bin Abdur zu sprechen. Du wirst als neues Oberhaupt der saudischen Regierung eingesetzt werden. Hinterher. Er betrachtet dich als
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