Trojanische Pferde
für ihre Zwecke ausgenutzt wird. Aber ihn deshalb töten?«
»Es muss sein.«
»Sagen Sie mir nicht so was!«
»Vielleicht sollte er es Ihnen selbst sagen.« Tom stellte ein Tonbandgerät auf den Tisch, drückte auf die Abspieltaste. »Das haben wir gestern in Walids Hotelzimmer aufgenommen.«
»Wir brauchen dir nicht zu sagen, was die Lösung ist«, sagte Abdul mit sich beinahe überschlagender Stimme.
»Die Scharia erlaubt es nicht, einen arabischen Bruder zu töten, aber sie erlaubt uns, die Ungläubigen zu vertreiben!«, sagte Walid erregt. Es war offenbar das Fazit eines langen, leidenschaftlichen Wortwechsels. Sasha hörte ein tiefes, zustimmendes Grunzen, unverkennbar von Prinz Ibrahim. Sie spannte die Schultern an. »Es ist keine Sünde, kein Verstoß gegen die Scharia, das ungläubige Regime von der heiligen arabischen Halbinsel zu vertreiben. Es verletzt nicht die Gebote der Scharia, wenn sie getötet werden müssen, um den Schandfleck der Ungläubigkeit von unserem heiligen Land zu wischen, der Heimat der beiden heiligsten Stätten des Islams!«
»Dann, heiliger Freund, musst du wählen zwischen dem Leben deines eigenen Vaters und der Reinheit des islamischen Staats, die es zu erhalten gilt!« Sasha war sich nicht sicher, ob sie einverständiges Gemurmel von Prinz Ibrahim hörte. Ihre Atmung hatte sich so sehr beschleunigt, dass sie eine bewusste Anstrengung machen musste, sie zu zügeln.
»Wirst du diese ernste Herausforderung annehmen, diese Prüfung, die Allah dir auferlegt hat? Entscheidest du dich für die Erhaltung der islamischen Nation? Entscheidest du dich für die Rückgabe der heiligen islamischen Stätten an das muslimische Volk? Entscheidest du dich für die Vertreibung der Ungläubigen? Entscheidest du dich für den Tod der saudischen Königsfamilie?«
»Ja«, erklang Prinz Ibrahims unmissverständliche Antwort. Sasha fühlte sich von heller Wut gepackt, und gleichzeitig schossen ihr die Tränen in die Augen. »Zur Hölle mit euch!«, schrie sie Tom an. »Ihr könnt mich alle mal!«
»Wär’s Ihnen lieber, wir tun nichts und lassen sie Jassar ermorden?«
Sasha sank im Sessel zurück, ihr Puls dröhnte in den Ohren. »Und Ibrahim zu töten, ist die Alternative? Dann helfe ich Ihnen also, seinen Sohn zu töten – Gott, ich habe Ihnen bereits geholfen!« Tom saß reglos, sein Gesichtsausdruck gab nichts preis. »Damit Jassar mich für den Rest meines Lebens hasst?«
»Es gibt keinen anderen Ausweg.«
»Bringen Sie Jassar das Band!«
»Sie werden ihn trotzdem töten.«
»Wenn Sie nicht wollen, werde ich es tun!« Sie griff nach dem Tonbandgerät. Tom entzog es ihr schnell und schaltete erneut auf Wiedergabe.
»Wirst du es tun?«, fragte Abdul.
Walid schaltete sich ein, immer noch mit fiebrig erregter Stimme: »Du bist der Einzige, der es tun kann. Niemand sonst kommt nah genug an ihn heran!«
Sasha glaubte, ihre Lunge würde platzen. »Ja! Ja, ich töte ihn!«, rief Ibrahim.
Sasha schlug mit beiden Fäusten auf den Tisch. »Genug! Es reicht!« Tom schaltete das Gerät ab. »Was soll ich also tun?«, fragte sie. Tom langte in seine Jackentaschen, und als die Hände wieder auftauchten, sah Sasha in der einen den blaugrauen Stahl einer Beretta und in der anderen einen Schalldämpfer.
»Oh, mein Gott! Das soll doch wohl nicht heißen, dass … ich …?«
Fünf Minuten später ging Sashas Atmung immer noch in tiefen, japsenden Stößen, sie konnte nicht genug Luft bekommen und musste gegen den Drang ankämpfen, sich zu übergeben. Ihre Kehle war schon wund von der Anstrengung.
Tom deutete auf das Wasserglas, das er ihr gebracht hatte. Sie nahm einen Schluck. »Und Sie sind sich ganz sicher, dass Jassar unsnicht glauben würde, wenn wir zu ihm gingen?« Ihre Stimme war matt, und sie hörte das Zittern darin. Dafür wurden ihre Gedanken langsam wieder klarer.
»Selbst wenn er es täte, würde er vielleicht zögern oder Ibrahim zur Rede stellen wollen, und dann könnte alles vorbei sein, bevor wir die Chance haben einzugreifen«, sagte Tom. Erst jetzt nahm sie die Müdigkeit in seinem Gesicht wahr, die Falten um die Augen. Die sie immerhin inzwischen wieder voller Mitgefühl ansahen. »Außerdem geht es in diesem Stadium nicht nur um Ibrahim. Da sind noch andere. Und wie ich Ihnen sagte, handelt es sich um eine koordinierte Aktion. Wenn Sie zu Jassar gehen, erfahren sie davon und tauchen unter, und wenn wir jetzt nicht so viele von ihnen ausschalten, wie wir können, werden
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