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Trojanische Pferde

Trojanische Pferde

Titel: Trojanische Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lender
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nach diesem Wesen hielten.
    »Die Diener gingen in den Wald und fanden ein Elefantenbaby, das schlafend dalag, mit dem Kopf in Richtung Norden, und sie brachten diesen Kopf zurück, worauf Shiva ihn an den Rumpf des Jungen fügte und diesen zum Leben erweckte. Diesen neu erschaffenen Sohn machte der Gott Shiva zum Anführer der Ganas, seiner halbgöttlichen Diener, und daher rührt es, dass der Junge mit dem Elefantenkopf fortan Ganesha genannt wurde. Am Ende wurde offenbar, dass er auch selbst ein Gott war, der Gott der Weisheit, der Verheißer des Glücks, der Beseitiger von Hindernissen und Problemen und der große Schutzherr des Lernens.«
    Sasha endete, indem sie mit großer Geste die Arme ausbreitete und sich verbeugte.
    Ihr Publikum applaudierte. Beifälliges Murmeln und Ausrufe des Entzückens in einem Dutzend verschiedener Sprachen hallten von den Wänden wider. Sasha drehte sich mehrfach im Kreis, genoss die ihr dargebrachte Bewunderung und insbesondere die Freude der Komtess.
    Doch während sie lächelnd ins Publikum blickte, war ihr nur zu bewusst, dass ihre schwarzen Augen – so voll sprühenden Lebens, so weltläufig bereits – nichts von dem geheimen Schmerz in ihrem kindlichen Herzen ahnen ließen.

KAPITEL 10
    J ULI, VOR FÜNFUNDZWANZIG J AHREN . V EVEY , S CHWEIZ .
Jassar versank fast in dem dick gepolsterten Ledersessel, während er sich in der Bibliothek der Komtess mit anderen Gästen und seinem neben ihm sitzenden Cousin Prinz Naser, dem saudischen Ölminister, unterhielt. Im Anschluss an eine Konferenz der OPEC-Minister in Wien verbrachten sie, bevor sie nach Saudi-Arabien zurückflogen, das Wochenende im Chateau der Komtess. Sie waren zu vertrauten Gästen geworden.
    Durch die offene Tür der Bibliothek beobachtete er, wie Komtess del Mira die letzten Stufen ins große Entree herabgeschritten kam, lässig stehen blieb, als wollte sie allen Gelegenheit geben, sie zu bewundern, und sich dann über den glänzenden Marmor des Entrees hinweg in Richtung Bibliothek in Bewegung setzte. Ihr Kopf blieb beim Gehen völlig unbewegt, als hätte ihr starrer, tranceartiger Blick ihn gleichsam festgedübelt. Jassar wusste die schläfrige Weichheit in ihren Augenwinkeln, die rosige Farbe ihrer Wangen und die Schlaffheit ihrer Gesichtsmuskulatur sehr wohl zu deuten.
    Opium.
    Die Komtess verharrte in der Tür und hob eine unangezündete Zigarette zum Mund. Sie trug ein ärmelloses, bodenlanges, schwarzseidenes Abendkleid, das sich ihren Bewegungen anschmiegte, während ihr Kopf starr und ihr Blick unverwandt auf Jassar gerichtet blieb. Ein Gast, irgendeine Gestalt aus dem europäischen Hochadel, trat auf Zehenspitzen auf sie zu, gab ihr Feuer und entfernte sich abermals auf Zehenspitzen.
    »Hallo, meine Prinzen«, sagte sie flüsternd. »Wieder ein paar Milliarden verdient heute?«
    »Hallo, Christina«, sagte Jassar.
    Prinz Naser lächelte: »Sie sehen wieder mal hinreißend aus, meine Liebe.«
    Die Komtesss ließ den Blick zwischen den beiden hin- und herwandern. »Sie bezaubern mich. Mir schwinden die Sinne.« Sie rückte an Prinz Naser heran und drückte ihr Bein gegen seins. »Prinz Naser, Sie erstrahlen heute Abend in Ihrer ganzen Männlichkeit. Werden Sie mir später noch die Ehre geben?«
    »Ich werde mir wohl noch ein bisschen Dessert und Tee holen«, sagte Jassar und erhob sich. Die Komtess drehte sich langsam um und sah ihm in die Augen, ihr Gesicht nur wenige Handbreit von seinem entfernt. Er bemerkte, dass ihre Pupillen geweitet und ihre Augen blutunterlaufen waren.
    »Ich bin bereit, Sie zu entlassen, wenn Sie versprechen, mich recht bald zu unterhalten.«
    Jassar empfahl sich. Am anderen Ende des großen Raums stand Sasha, ihre Augen blinkten grüßend. Auf halbem Weg zur Dessert-Anrichte schloss sie sich ihm an.
Bemerkenswert
, dachte er.
So schön. Könnte ich mich nur wieder in einen jungen Mann zurückverwandeln.
    Sich bei ihm unterhakend, zog sie ihn zu sich herunter und drückte ihm einen lauten Kuss auf die Wange. »Hab ich Sie.« Er spürte ihre Brust an seinem Arm. »Was muss man als junges Mädchen tun, um Ihre Aufmerksamkeit heute Abend zu gewinnen, Jassar? Während des Essens haben Sie sich ausgesprochen spröde gezeigt. Ich konnte Ihnen kaum mal einen Blick entlocken, so sehr hat diese Miss Ballanchine Sie in Anspruch genommen. Ich hätte ihr am liebsten die Augen ausgekratzt. Und Sie haben sie so taktvoll behandelt, obwohl sie sich, schon als wir erst beim Salat waren,

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