Trojanische Pferde
selbstzerstörerischen Lebensstil abzeichnete, drastische Maßnahmen ergreifen müssen. Zunächst einmal musste die Verhaftung unter Verschluss bleiben. Der Konsul schien über den entsprechenden Instinkt zu verfügen. Außerdem war ihm klar, was für Folgen es für ihn hätte, wenn er die Sache ans Licht brächte. Mit der Polizei freilich mochte es sich anders verhalten. Eine Zeitungsschlagzeile,
Prassender Playboy-Prinz
, trat ihm vor Augen. Wahrwerden seiner schlimmsten Befürchtungen oder Selbstquälerei, weil er es an der lenkenden Hand hatte fehlen lassen? Wie auch immer, er würde hier nicht wieder weggehen, ohne einen Beschluss gefasst zu haben.
Der Gardist, der vor Ibrahims Tür postiert war, trat zur Seite. Jassar öffnete die Tür, ohne anzuklopfen. Ibrahim war nicht zu sehen. Jassar ging ins Schlafzimmer, wo er jede Schublade aufzog und sogar Ibrahims Unterwäsche durchwühlte. Er fand das Silberkästchen, öffnete es, schüttete den Inhalt auf den Schreibtisch, kehrte ins Wohnzimmer zurück und setzte sich aufs Sofa. Er sah auf seine Uhr, während seine fleischige Faust sich um das Silberkästchen regelmäßig öffnete und schloss. Dieses Problem musste ausgetragen werden. Heute.
Eine Stunde später tauchte Ibrahim auf. Jassar blieb sitzen.
»Vater«, sagte Ibrahim. Sein Blick wanderte zur Hand seines Vaters, die noch immer das Silberkästchen umklammert hielt. Zwar blieb er äußerlich ruhig, aber in seinen Augen konnte Jassar erkennen, dass er wusste, was die Stunde geschlagen hatte. Ibrahim senkte den Kopf, dann blickte er sich verlegen im Zimmer um, als hoffte er, Unterstützung bei irgendwelchen Möbelstücken zu finden. Da nichts dergleichen in Aussicht zu stehen schien, setzte er sich sichtlich widerwillig in einen Sessel gegenüber dem Sofa.
»Wie ich höre, bist du fleißig dabei, dir einen Namen zu machen. Zuletzt offenbar in Paris.«
Luft entwich zischend aus Ibrahims Lunge.
»Hast du geglaubt, ich würde es nicht herausfinden?«
»Nein. Ich wundere mich eher, dass es so lange gedauert hat.«
»Machst du dir irgendeine Vorstellung, welche Folgen das für das Königreich haben könnte?«
Ibrahim blickte auf. »Ist das alles, was dir dazu einfällt?« Er beugte sich vor. »Welche Folgen es für das Königreich hat?«
»Das ist stets mein erster Gedanke.«
»Wie kommt es, dass mich das nicht überrascht?«
»Was in Allahs Namen soll das heißen?«
»Nichts weiter, als dass wir diese Unterhaltung vielleicht gar nicht führen würden, wenn du auch mal Interesse für andere Dinge als deine edlen Staatsgeschäfte zeigen würdest.«
»Komm mir nicht mit solch einem banalen Unsinn von wegen vernachlässigter Sohn. Du, dem qua Geburt alle Möglichkeiten offenstehen, hältst dich für unterprivilegiert? Das ist schamlos! Andere Leute, die mit deinem Reichtum und deinem Status gesegnet sind, gehen hinaus in die Welt und tun etwas Konstruktives, anstatt ihr Leben durch ein läppisches Röhrchen versickern zu lassen!« Jassar, seinem Zorn jetzt freien Lauf lassend, schrie ihm diese Worte ins Gesicht. Er warf das Silberkästchen auf den Couchtisch. »Du hast Schande über uns gebracht! Schande über das ganze Königreich, deine Familie, deine Religion!« Ibrahim senkte den Kopf und wandte den Blick ab. »Was hast du zu deiner Entschuldigung vorzubringen?« Jassar war aufgestanden, schrie von oben auf seinen Sohn ein. »Ich fragte, was hast du zu deiner Entschuldigung vorzubringen?«
Sasha öffnete die Verbindungstür zwischen ihrem Zimmer und Ibrahims Suite. Sie hatte das Gefühl, das Herz wollte ihr aus dem Hals herausspringen. O Gott, Jassar geht auf ihn los! Sie musste versuchen einzugreifen, Jassar wenigstens ein bisschen zu beschwichtigen. Und Ibrahim mit seinem Jähzorn! Sie senkte den Kopf und rannte in sein Wohnzimmer.
»Sasha, du bist hier fehl am Platz. Lass uns allein«, sagte Jassar.«
»Bitte, Jassar, ich bin doch auch an dieser Sache beteiligt.« Sie sah sein Zögern, setzte sich neben Ibrahim und griff nach seiner Hand, wie um auszudrücken, dass sie gewillt war, zu helfen und alles zu tun, um die Sache zu bereinigen.
»Sie bleibt«, sagte Ibrahim, der durch ihr Erscheinen wieder Oberwasser gewonnen hatte. »Was willst du von mir?«
Übertreib es nicht, dachte Sasha.
»Du wirst auf den rechten Weg zurückkehren.«
Ibrahim öffnete den Mund zum Sprechen.
»Keine Diskussion«, sagte Jassar. Einen solchen Blick hatte Sasha noch nie von ihm gesehen.
Eine halbe Minute lang
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