Trojanische Pferde
Gesellschaft zweier arabischer Männer, die ein paar Jahre älter waren als er. Nacheinander küssten die Mädchen ihren Wohltäter.
»Abdul und Walid«, sagte Ibrahim, »habt ihr Sasha und Nafta schon kennengelernt?« Die beiden Männer nahmen sie kaum zur Kenntnis.
»Ich stelle die Legitimität einer Regierung infrage, die nicht voll und ganz dem Islam verpflichtet ist«, sagte Walid.
»Wenn das saudische Regime nicht in der Lage ist, die Scharia durchzusetzen, wie kann es dann als Verwalter der heiligsten Stätten der muslimischen Welt fungieren?«, ergänzte Abdul.
»Ich verstehe, was ihr sagen wollt«, sagte Ibrahim, »aber ihr müsst euch auch darüber im Klaren sein, welchen Einfluss auf die Regierungspolitik ich nehmen kann.«
Du meine Güte, Ibrahim, hör dir nur mal selbst zu!
Das ging jetzt doch ein bisschen zu weit. Kaum hatte er sich dazu durchgerungen – nicht zuletzt auf ihr Drängen hin –, jeden Tag ins Ministerium zu gehen, da fing er gleich an, herumzutönen, was für einen wahnsinnigen Einfluss auf die Politik er hätte. Versuchte diese ekligen Gestalten mit seiner Wichtigkeit zu beeindrucken. Sie überlegte, ob er ihr zugedröhnt mit Kokain nicht doch besser gefiele. Dabei machte er sich immerhin weniger zum Narren. Sie wurde wieder von dieser seltsamen, halb furchterregenden, halb schmerzhaften Regung befallen.
Vielleicht ist es Zeit, auszusteigen.
In Gedanken zählte sie die bisher erhaltenen vierundzwanzig monatlichen Umschläge à fünfundsiebzigtausend Dollar in bar zusammen – eins Komma acht Millionen US-Dollar, wie vereinbart – sowie die grob gerechnet zwei Komma sechs Millionen Dollar in Schmuck, den sie angehäuft hatte.
Vielleicht, vielleicht auch nicht.
Die Unruhe, die sie in den letzten Tagen empfunden hatte, schien mit einem Mal schonviel früher begonnen zu haben.
Vor Monaten?
Ibrahim zeigte sich zusehends undurchsichtig, distanziert, vielleicht weil er so sehr von der Arbeit seines Vaters in Anspruch genommen wurde. Aber von dieser Distanz abgesehen, war ihr auch mehr und mehr bewusst geworden, dass sie ihn nicht liebte, und es war ihr sogar ein vollkommenes Rätsel, wie sie das jemals ernsthaft hatte erwägen können. Was also sollte sie daran hindern, dieses Leben hinter sich zu lassen und weiterzuziehen?
Eins war klar: Diese komischen jungen Männer, die hier um Ibrahim herumscharwenzelten, gefielen Sasha überhaupt nicht. Sie hielten ihm Predigten, bedrängten ihn von allen Seiten. Sie selbst war ebenfalls von politischen wie auch religiösen Eiferern belästigt worden. Mit besonderem Unbehagen erinnerte sie sich an die Fragen eines hochgestochenen jungen Engländers, mit dem sie vor einiger Zeit beim Dinner an einem Tisch gesessen hatten – sein besonderes Interesse galt offenbar Ibrahims Sicht der Bombenanschläge auf die amerikanischen Militärbasen in Saudi-Arabien –, und an seine konspirativen Unterhaltungen mit einem ungepflegten Amerikaner auf der Yacht Christina, auf der sie letzte Woche zu Abend gespeist hatten.
»Sie müssen selbst zu den Grundsätzen der Scharia zurückkehren, wenn sie respektiert werden und ihr Volk führen wollen«, fuhr Walid fort.
»Sie haben sich den Amerikanern zu sehr angenähert.«
»Ich bin derzeit nicht in einer Position, daran etwas zu ändern«, sagte Ibrahim, »aber wir können uns die Amerikaner zunutze machen. Ihr solltet nicht unterschätzen, welche Vorteile das hat.«
Sich die Amerikaner zunutze machen!
Wen wollte er denn damit hinters Licht führen? Er machte tatsächlich den Eindruck, als
glaubte
er den Unfug, den er da von sich gab. Sasha wurde von dem Verlangen gepackt, auf ihr Zimmer zurückzukehren, ein paar Sachen zu packen und einfach zu verschwinden.
Vergiss die Politik. Darum geht es gar nicht
. Sie sah Ibrahim an.
Das Bedürfnis, dich zu profilieren, führt dich auf Abwege.
Dann sah sie Jassar in ihm. Der Gedanke beruhigte sie. Sie strich ihm über den Kopf, woraufIbrahim, fast erschrocken, sich zu ihr drehte und ihr kurz die Hand küsste, bevor er sich wieder ganz seiner Unterhaltung widmete.
Da war es wieder, dieses Gefühl, das, wie sie jetzt erkannte, nur deshalb so verschwommen blieb, weil sie dagegen ankämpfte. Ibrahim war in seine Unterhaltung vertieft. Wieder empfand sie die Distanz zwischen ihnen, dann gab sie sich ihrem Gefühl hin. Ja, es war ein Schmerz. Und dann überwältigender Kummer, fast Trauer. Sie wusste, was das zu bedeuten hatte, was es ihr über ihre Wünsche und
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