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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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Angriffe und Beleidigungen auslöste. Ein antrainierter Reflex, der im Falle meines Vaters noch immer funktionierte, oder eine Beißhemmung, die ich nur mit starken Mitteln ausblenden konnte.Mahgourian fluchte in einer Sprache, die mir nicht geläufig war. Des Professors Augen folgten indessen Laura, die um den Tisch gelaufen war, den Kopf meiner Mutter aus dem Salat hob und an ihre Brust drückte, dort wo Hello Kitty aufgenäht war.
       Mein Vater hatte das Kinn gehoben, seine Augen starrten dabei unbeirrt gegen die Decke, jederzeit bereit, mit Mahgourians Göttern mögliche Rechtsnachteile zu verhandeln.
      
      
       Laura kauft gerne ein. Das Personal ist hier nicht so aufdringlich, befindet sie, man kann durch die Läden gehen, ist wie im Paradies eingeschlossen, die Früchte hängen lockend vom Baum, niemand kümmert sich. Sie verschwendet jedoch nichts. Es ist mehr ein So-Tun-als-ob. Völlig befriedigend für sie. Laura hat zum Beispiel ein Faible für Halsketten. Sie entdeckt sie an hundert Ständen, läßt sie durch die Hand gleiten, hält sie gegen das Licht, beurteilt die Farbkomposition ihrer Elemente, das Gewicht, den zugrundeliegenden Geschmack und die Gestaltgebung. So erkundet sie unsere Stadt. Von Boutique zu Kaufhaus, von Straßenhändler zu Fachgeschäft schwebend, unverbindlich. Am Ende hat sie einen Topf Schuhcreme oder ein Stück Seife gekauft und berichtet aufgeregt wie ein Kind von einem Abenteuer.
       Der Professor hat sein Handgeld schon am ersten Tag aufgebraucht, indem er es unter das Bettelvolk, die Schildvorzeiger und Grammienen am Boden verteilt hat, selbst die unseriösen. Aber das führt nicht zu Verstimmungen zwischen ihm und Mahgourian, der wohl nur achselzuckend akzeptiert, daß die Barmherzigkeit meines Retters eine impulsivere ist. Strafgerichte scheinen diesen furchterregenden Mann im Augenblick nicht zu interessieren, Nationalökonomie auch nicht. Im Augenblick macht er Erdkunde mit seinen Freunden am Boden. Zu diesem Zweck pflegt er eine Gipsnachbildung des Empire State, Maßstab 1 zu 2500, aus seiner Hosentasche zu ziehen, legt sie einen Augenblick (nicht zu lange, Sehnsucht ist der Ursprung des Verstehenwollens) in die Hand des zu Unterrichtenden und beschreibt die Stadt, deren Spitzen den Himmel kitzeln und die er selbst aus ihrem tiefsten Grund kennt. Sprachbarrieren machen ihm nichts, er hat sein Unterrichtsmaterial immer dabei, und die Gelenkigkeit seiner Arme, die Beweglichkeit seines Gesichts sprechen eine deutliche Sprache. Warum aber konferiert Mahgourian erst mit meinem Vater, dann lange mit meiner Mutter? Konspirative Treffen, deren Zweck er mir hartnäckig vorenthält. Manchmal sieht er mich merkwürdig an, wenn er die Nase aus seinen vielen Studien hebt. Und einmal streichelt er mir sogar über den Kopf, was mir unangenehm ist, denn noch immer fürchte ich mich vor diesem Greis.
       Jeder von ihnen nimmt sich hier etwas heraus, nur ich bin in meiner Heimatstadt, gar in meinem Elternhaus zurückhaltend – nur einmal, als ich aus dem Gerichtsgebäude trat, ich vergaß es zu berichten, wollte ich an prominenter Stelle das Reißverschlußkunststück vorführen. In dieser Stadt wären meine Chancen auf ein überzeugendes Gottesurteil groß. Sie ist nicht so vielschichtig, nicht tolerant, hat einen nur kleinen Vorrat an Menschen mit niedrigem Verantwortungspegel, wie den Professor und mich.
       Im Gerichtsgebäude selbst ging es fast gelassen zu. Diese Dinge werden kurz abgehandelt und wieder zwischen Aktendeckel geklemmt. Vermutlich, damit einem der Schrecken nicht nachlaufen kann. Ihre Eltern nicht da, meine aus besserer Einsicht desinteressiert, die Sache war juristisch ohnehin schon abgemacht, und persönliche Vergebung ist eine grundsätzlich andere Angelegenheit.
       Ich war nur abgelenkt, nicht unter Mitteln, der Bremsweg zeigte korrekte Geschwindigkeit. Das Mädchen tobte gerne herum, immer in ihrer eigenen Welt, unbedacht. So wie ich, an diesem Tag aber war es für uns beide verhängnisvoll. Ihr Kopf blitzte zwischen Karosserieblech auf, als es schon zu spät war.Wäre sie auf der Straße gelaufen, mit ausgebreiteten Armen, ich hätte sie nicht übersehen, aber das hatte sie nicht nötig, das Pfand lassen mußte sie trotzdem. Der rote Kreis, als ich niederkniete, die Worte, die sie zuletzt sprach und die nicht mir galten, die gelöste Haarspange. Zeugen berichten, daß ich heulte und die Hände rang. Das tut kein schlechter Mensch, befindet der

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