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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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Richter. Wiederbelebungsversuche allerdings erfolglos. Ein talentierter Engel hätte zur Stelle sein müssen. Nicht schuldig, Geldstrafe. Und so trete ich in einen dumpfen, frech-unbesorgten Nachmittag hinaus, wieder nicht verurteilt, und wie gesagt, der kurze Gedanke an das Reißverschlußspiel. Aber ich bin nicht wirklich in der Laune, nüchtern, und außerdem mit Laura verabredet, die auch ihre Rechte an mir hat. Und so beschließe ich nur, sobald wie möglich diesen Anruf zu machen. Später, die Stimme der Mutter klingt erschöpft und drückt gleichzeitig die Bereitschaft aus, weitere Prüfungen, weitere Leiden und Demütigungen bereitwillig dulden zu wollen. Ein feines Gewitter, Ladungen, Entladungen, das nur halbperfekte Wandeln akustischer Signale, eine drohende Wolke unfertiger Technik schiebt sich zwischen uns. Ich schweige. Sie legt auf. Auch hier kein definitives Ergebnis, der Hörer nicht in meiner Hand geschmolzen, kein Gehörnter mit glühendem Dreizack, der mich nachdrücklich bittet, ihm in den großen Ofen zu folgen, während er im Bockstrab häßlich vorangeht.
       So will ich es also dem Mädchen selbst überlassen, das ist nur fair, schließlich ist sie die Hauptgeschädigte, der Friedhofsbesuch ohnehin eine opportune Geste.
       Erst an diesem Ort werde ich schwach, es regiert eine Stille, die mir in den Ohren klingt. Ich gehe an den Steinen vorbei, die das diesseitige Reich der Toten einfassen, für die Lebenden von einer traurigen Magie. Ich stelle mir unwillkürlich Gesichter vor, Figuren und Stimmen, Lebensläufe, besondere Umstände. Die Stille klingt jedoch weiter, sie lädt zu ängstlichen Phantasien oder mutmachenden Scherzen ein. Unterhalten sich die Toten etwa über uns, während wir hier vorbeiziehen, gibt es einen Dialog des Jenseits, der in regionalen Friedhofsgemeinden geführt wird, in Leichengemeinden, Geistergemeinden, Nekropolen, dem Refugium der freigewordenen Seelen, die auf ihren Stein gelehnt miteinander plaudern und sich über uns unterhalten, so wie wir an sie denken? Dann würde ich gerne wissen, was man sich über mich erzählt, was sie über mich sagt, ob es Verzeihen unter den Geistern gibt, losgelassene Munterkeit, wo auch immer das sein mag, ihr Reich, ihre Welt oder Zwischenwelt, der Ort ihrer Ankunft. Ich beschwöre die Schönheit und den Frieden des Ortes für sie und für mich. Ich versuche, die Schönheit des Todes selbst zu beschwören, was strenggenommen gegen jeden Geschmack ist, wenn es um ein Kind geht. Ich gehe unzulänglich mit meinen Tatsachen um. Wie recht da mein Vater hat. Ich versage. Selbst die Trauerweide mit ihren hängenden Ästen ist besser geeignet, die Tatsachen zu würdigen, genauso wie die Kohlmeise, die auf dem Stein sitzt und den Kopf schräg legt. Jetzt ist der ganze Geruch nach Friedhofsblumen und stark mineralisierter Erde da, Gottesäcker, auf denen Pflanzen so gerne wachsen. Ich glaube, daß ich nahezu von Sinnen bin, als ich durch das Tor und hinaus auf die Straße trete, meine Sicht verschwommen, links ist gleich rechts ist gleich geradeaus. Die Stille, auf Friedhöfen klingt sie in meinen Ohren.
       Dann treffe ich Mahgourian. Er macht eine kurze Pause beim Durchforsten eines Zeitungsarchivs. Er hat auch den Ort besucht, an dem ich gelegentlich zur Schule gegangen bin, war bei der Zeitung, die ich ihm leichtfertig als Arbeitgeber genannt habe. Warum, warum? fragt er mich. Als ob ich für alles, was mich betrifft, eine Erklärung hätte. Auch mir sind die Fragezeichen aufgegeben worden.
       Ich betone jedoch ausdrücklich, daß ich ein ungewolltes Kind war, das Lebensprofil meiner Eltern, im Windkanal von Erfolg und gesellschaftlichen Verpflichtungen geschliffen, hatte eine Scharte, die ursprünglich nur auf das Versagen der Kontrazeption und eine aus Gedankenlosigkeit versäumte Abtreibung zurückzuführen war. Meine persönlichen Unzulänglichkeiten waren zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht entwickelt.
       Wenigstens der Professor läßt mich so, wie ich bin. Ich möchte mich nicht mehr verteidigen müssen. Auch nicht gegen diejenigen, die es gut mit mir meinen. Wir suchen uns einen kleinen Park aus und eine gemütliche Bank (zum ersten Mal Seite an Seite). Nostalgie unserer jungen Freundschaft. Seit gestern kenne ich sogar seinen Namen, Zacharias, aus dem Laura sofort Zack gemacht hat, weil Zacharias in ihren Augen kein Name ist für einen Mann, bestenfalls für ein Medikament. Der Professor weist das von sich, er wolle

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