Trojaspiel
gemacht, obszöne Gesten, ihre Niggerzungen weit rausgestreckt. Man fesselt die beiden und schleift sie zu den Bäumen. Die Hunde verbeißen sich in ihre Beine. Jack und Fred schreien und winseln um Gnade. Er habe nur ein bißchen Brot kaufen wollen und Milch, brüllt Fred. Er habe der Lady zu Ehren getanzt . . . Sie lassen ihn wieder tanzen: Den beiden werden Schlingen um den Hals gelegt. Aber man knüpft sie nicht richtig auf. Solange sie auf ihren Zehenspitzen stehen, bekommen sie noch etwas Luft. Immer mehr Leute kommen, um die Vergewaltiger zu sehen. Auch Männer im Sonntagsanzug, Frauen und kleine Mädchen, die ängstlich den Tobenden ausweichen, die mit Knüppeln, mit Werkzeugen und Ruten auf die beiden Frauenschänder einprügeln. Mein Vater kann es nicht mehr sehen, es stehen zu viele Leute drum herum. Nur noch vereinzelt glaubt er, erstickte Schreie seiner Freunde zu hören.
Dann reißen sie die Seile zur gleichen Zeit hoch. Sie haben die beiden mit Petroleum übergossen und angezündet. Fred haben sie den Schwanz abgeschnitten. Ein Teil seines Unterarmes fehlt. Die Menge jubelt und johlt und fängt an, auf die beiden Leichen an den Stricken zu schießen, mit Revolvern und Schrotflinten. Die brennenden Kadaver schwingen hin und her. Zum Schluß, erzählt mein Vater, ist ein Fotograf gekommen und hat Aufnahmen gemacht, und der schwitzende Mob hat sich vor den Baum gestellt und gegrinst. Auch die kleinen Mädchen – er konnte es nicht fassen und wiederholte es immer wieder –, auch die kleinen Mädchen mit ihren Kleidchen und Schleifen im Haar, sie haben sich vor den Baum mit den brennenden Leichen gestellt und in die Kamera gegrinst. Später konnte man für 50 Cents die Fotos als Postkarten kaufen. »Nigger Barbecue« stand drauf.
Als die Kadaver seiner Freunde in die Höhe gerissen worden waren, hatte mein Vater sich in die Hosen geschissen, seine größte Angst dabei war, daß die Hunde ihn riechen konnten. Aber die waren schon längst wieder an der Leine und bellten die stinkenden Nigger in der Luft an . . .«
Zack machte eine kurze Pause und streckte sich.
»Das war mein Vater, ein Hosenscheißer. Er heulte auf meinen Schlafanzug, und ich lernte, ihn zu verachten.«
»Was hätten Sie gemacht an seiner Stelle«, fragte Mahgourian leise.
»Weiß nicht«, erwidert der Professor brummend, »ich hätte einem von ihnen die Waffe aus der Hand gerissen und ein bißchen mitgeschossen. Vielleicht wäre ich auch weggelaufen.
Aber ich hätte nicht zugeschaut.«
»Es ist die einzige Geschichte von ihm, und er hätte sie nicht erzählen können, wenn er weggelaufen wäre.«
»Das war’s bestimmt, was er gedacht hat, als ihm die Scheiße die Hosenbeine runterlief«, erwiderte Zack kühl.
Ich tat so, als wäre ich aus einem kurzen Schlummer aufgewacht, nur um Mahgourians Gesicht sehen zu können. Der alte Mann drehte mir den Kopf zu und lächelte, wie immer, aber er wirkte abgelenkt, keine Frage zu seinen Giocondo-Ermittlungen hätte ihn aus der Fassung bringen können. Aber Zacks Fabel voller Grausamkeit, der leidenschaftslose Ton, in dem der Professor gesprochen hatte, ließen ihm selbst seine Kofferrecherche vermutlich als kapriziös und exzentrisch erscheinen.
Zack lebte jetzt nicht anders als sein Vater, nämlich auf der Straße, in seiner selbstgefälligen, stolzen Umnachtung, er stand für ein Leben, das Mahgourian nicht begriff. Warum hatte Zacharias sich geweigert, ein Zimmer im Hotel anzunehmen, und war gleichzeitig bereit gewesen, an einer Expedition durch Europa teilzunehmen? Der alte Mann ahnte, daß der Professor, der nicht gerne von Fremden nahm, und alles, was er an Geld erhalten hatte, in Pappschachteln und Wollmützen im Seitenaus der Einkaufsstraßen versenkt hatte, die Absicht haben könnte, sich seine Teilnahme an der Reise auf eigene Weise zu verdienen.
Ein Schaffner öffnet die Tür, und ich höre Laura ein Lied summen. Ein wenig beruhigt mich das. Sie schiebt ihren Kopf ins Abteil. »Wir sind gleich da«, meldet sie, um im nächsten Augenblick verlegen den Kopf zu senken, als würde sie befürchten, für diese Bemerkung bestraft zu werden.
Wir erreichen ein unscheinbares Proszenium, die Vorstadt mit ihrem Wald aus Satellitenschüsseln und Wäscheleinen, vor der rechteckigen Tristesse moderner Plattenbauten. Das wachsende Gewirr von Straßen, Verkehrsstränge, die sich wuchernd auf die Stadt zubewegen und
Weitere Kostenlose Bücher