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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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fließt, in der Ferne Reisfelder, dann kommen wir in Mirandola an, Provincia di Modena, Emilia Romagna, und nähern uns dem roten Bologna, in dem sich Straßen und Schienen zu bündeln scheinen, durchschiffen das Gleisgewühl des Hauptbahnhofes und verlassen die Ebene zu Füßen des Apennin, wo karge Schlösser und Wehranlagen wie Schorf auf rauhen Gebirgszügen wachsen, steinige Terrassen voller krummer Olivenbäume, bevor wir uns in die Dunkelheit des Berges bohren, zwanzig Kilometer lang, das Tunnelgefühl, intensive Schatten und die plötzlich intime Nähe zu den Mitreisenden, Notlicht, effektsicher wie in einer Geisterbahn. Dann wieder der helle Tag, wir erreichen Florenz auf der anderen Seite, und die unglaublichste aller Landschaften entfaltet sich wie Postkartenpanoramen, die Toskana, klassisch schön und doch wie künstlich hergerichtet, um betrachtet, fotografiert und geliebt zu werden, das alte Etrurien, wie der Garten Eden, was im alt-hebräischen Lust bedeutet, hier ist das Paradies konserviert worden, aus dem prächtige Alleen, gesäumt von den Säulen der Zypressen, bis hin zu den düsteren Wäldern führen, vergessen macht sie das verwaschene Blau des Lilienmeeres, Gehöfte, umgeben Weiden und Felder, gelbgrün bis ocker, der Himmel darübergegossen in milchigem Azur, die Wolken wie Theaterqualm.
       Ich stutze, als ich zur Seite sehe. Zack hält sein Messer in der Hand, unschlüssig starrt er auf die Klinge, beginnt dann mit kurzen, schnellen Schnitten einen Apfel zu zerteilen, schiebt sich die Fruchtspalten widerwillig in den Mund. Er schaut mißmutig von mir zu Laura zu Mahgourian, und ich kann seinen aufsteigenden Zorn spüren.
       »Sie sind wohl so etwas wie der Ersatzvater für die Gäste in Ihrem Hotel«, wendet er sich an den Alten. Steif steht Laura auf und verläßt das Abteil. Der Hotelier antwortet nicht, ich bin mir nicht sicher, ob er einen Konflikt vermeiden will oder nur zerstreut ist. Den Kopf auf die Fensterseite gedreht, stelle ich mich schlafend. Zack zerlegt und ißt einen weiteren Apfel. Er stößt mich dabei ein paarmal mit den Ellenbogen an, aber ich rühre mich nicht.
       »Ich glaube, so etwas kann gefährlich sein. Sekten funktionieren so«, fährt Zack fort. Ich höre Mahgourian umblättern.
       »Nicht alle diese Kinder sind ganz normal, oder? Darüber sollten Sie vielleicht mal nachdenken.«
       »Was ist eigentlich mit Ihrem Vater, Zacharias?« fragt ihn der Alte schließlich.
       »Tot, denk ich«, sagt Zack ungerührt.
       »Hatten Sie . . .«
       »Ich kannte ihn nicht mal richtig.«
       Der Professor klappt sein Messer zu.
       »Was wissen Sie denn über ihn – ich will nicht aufdringlich sein.«
       Zack schweigt.
       Mahgourian verliert ein paar blumenreiche Belanglosigkeiten über die Bedeutung der Väter als Ernährer der Familie, als Beschützer und Wegweiser für den Jugendlichen, der durch den Nebel des Lebens stolpert. Beteuerungen, die er, davon bin ich überzeugt, selber nicht glaubt, die aber mit mathematischer Sicherheit den von den Vätern Enttäuschten die Galle reizen mußten.
       Er hatte wie immer Erfolg. Nur ich schwieg hartnäckig, hielt es nicht wirklich für nötig, auf Mahgourians Schwafeleien zu antworten.
       »Er war ein Hosenscheißer«, sagt Zack plötzlich. Wieder kann ich seine Ellenbogen spüren, er kreuzt die Hände hinter dem Kopf und stöhnt angewidert.
       »Ich erinnere mich nur an eine Sache. Eine Geschichte, die er mir erzählt hat. Da war ich sieben. Anfang der Sechziger. Er war ein alter, schmerbäuchiger Sack, älter als ich jetzt. Aber schmierig. Er kam zu einer Familienfeier, um ein paar Verwandte anzupumpen. Meine Mutter hatte ihn schon seit zwei Jahren nicht mehr gesehen. Es war eine Beerdigung, also hielt jeder den Mund. Vielleicht dachte er auch, daß er ein paar Dollar erben würde, ich weiß es nicht. Aber er ging allen auf den Geist. Ich erinnere mich daran, daß ich ihn vorher schon ein- oder zweimal gesehen hatte. Aber er ist mir nie als mein Vater vorgestellt worden. Meine Mutter hat mir immer erzählt, mein Dad sei bei einem Unfall ums Leben gekommen. Und jetzt steht dieser Kerl vor mir und sagt, ich bin dein Vater. Nur um sich ranzuschmeißen, es könnte ja sein, daß ich loslauf und laut heule und sage Mama Mama, das ist mein Vater, er soll für immer bei uns bleiben.
       Du siehst aus wie ein Penner, sage ich ihm, und er bekommt auf einmal ganz feuchte Augen. Trotzdem bitte ich

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