Trojaspiel
das durch den Arkadengang hallt und ihn mit sich zieht.
Der Bahnhof nur noch als Summen, während wir dann im Café sitzen. Mahgourian telefoniert. Vier Tische unter dem Säulendach, neben einem Kino mit pompösen Vorkriegsausmaßen, aus dem der Geruch von Plüsch, Staub, Schweiß und schwarzweißen Träumen dringt, obwohl jetzt Pornostreifen laufen, die Kassiererin mit der Katzenaugenbrille und dem Haarnetz liest Cronaca Vera, verkauft Eintrittskarten an Männer, die schnell zwischen den schweren Vorhängen verschwinden, um nach zwanzig, dreißig Minuten wieder herauszukommen, den Blick auf die Armbanduhr gerichtet.
Bianchi sei heute verhindert, teilt uns Mahgourian, der keine Zeit verlieren will, verdrossen mit, als würde er befürchten, daß der Italiener die Flucht ergreifen könne.
Unser Hotel heißt Imperial , seine Schönheit will dem Professor nicht gleich deutlich werden. Bei Häusern, die älter sind als hundert Jahre, wittert Zack Einsturzgefahr. Ein Blick auf die goldenen Lettern am Portal und das Personal, gekleidet wie Lakaien in einem Historienschinken, lassen ihn jedoch stutzig werden.
Seitdem ich weiß, daß hinter kargen Mauern in dieser Stadt, hinter abweisenden Fensterläden und Gittern häufig die Pracht fürstlichen Reichtums konserviert ist, die musealen Schätze herrschaftlicher Epochen, betrete ich alle Gebäude hier grundsätzlich mit einer gewissen Ehrfurcht.
Im Vestibül strafft sich der Professor, Plastikarmut und Mangel an elektronischer Peripherie verunsichern ihn, und Marmor, Fresken, Kristallüster und Gobelins sind strenge Zeugen.
Laura wirkt völlig verloren. Die Spitzen ihrer Turnschuhe gegeneinander gedreht, steht sie an ihren Rucksack geklammert schüchtern neben einer Palme. Als man ihr in drei verschiedenen Sprachen Kaffee anbietet, dreht sie sich fremdelnd zur Seite, hofft, daß alles nur ein Mißverständnis sei. Mahgourian ist so tief in einen Sessel gesunken, daß ich ihn zunächst gar nicht wiederfinde. Er hat die Hemdsärmel hochgekrempelt und telefoniert wieder.
Im Flur berichte ich Laura und Zack vom diskreten Charme der historischen Fassaden, dem edlen, aber unauffälligen Gesicht der Stadt. Wie bei T. L.s Konstruktionen findet sich das Kostbare im Inneren der Villen und Palazzi, jahrhundertelang gewachsene, dann in der Zeit erstarrte Welten von unwirklichem Luxus, in denen man das störrische Flüstern greiser Kardinäle zu hören glaubt, das einsame Lachen berauschter Fürsten, ihr unruhiges Atmen im Schlaf, das Herzklopfen lebenshungriger Mätressen.
Laura verschwindet wortlos in ihrem Zimmer.
Zu Zacks Überraschung hat Mahgourian ihm die größte Suite auf unserem Stockwerk überlassen. Für den Professor ist das anstrengend. Pastellfarbene Engelchen schweben an der Decke, eingerahmt von Zuckergußstukkatur. Filigranes Edelholz lockt mit jungfräulicher Seidenpolsterung, und geschnürte Brokatkaskaden stürzen vor den Fenstern herab. Auf den Tischen Pralinen und frische Blumen, selbst in den polierten Schubladen des antiken Sekretärs, die wir öffnen, duftet es nach Rosen.
»Was der Scheich wohl macht, der hier sonst immer wohnt«, sagt Zack, als er das Bad betritt. Das Wasser läuft hier aus den Hälsen goldener Schwäne, die Wanne hat Löwentatzen, der Mosaikboden zeigt herrschaftlich Romulus und Remus, im Hintergrund den Palatin.
Dieses Zimmer, wie die Stadt selbst, verlangte, anders zu denken, anders zu gehen, anders zu atmen. Zack betrachtete sich mißtrauisch im Spiegel. Noch war er der Alte. Nein, mit Bequemlichkeit hatte das alles nichts zu tun. Im Spiegel eines solchen Bades sah man sich notgedrungen mit anderen Augen. Nahm eine andere Haltung an. Darauf, spürte Zack, hatte der Alte es angelegt.
Als ich ihn verließ, lag er nachdenklich auf seinem Prunkbett, die Arme ausgestreckt und eingerahmt von zwei Greifen, die auf der Seidentapete hinter ihm wachten.
»Ich habe nie gebettelt«, sagt er unbestimmt in den Raum hinein, während ich eine weitere Sorte Pralinen probiere. »Ich mach Hausmeisterjobs in unserem alten Viertel. Ich hab sogar was zurückgelegt . . .«
Lauras Tür ist nur angelehnt. Ich klopfe sachte, höre keine Antwort. Als ich eintrete, wendet sie nicht einmal den Kopf. Aber ich bin gut gelaunt, ohne weiteres in der Lage, Unbefangenheit zu spielen.
Sie sitzt auf dem äußersten Rand eines Stuhles, wieder in dieser orthogonalen
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