Trolljagd
nicht übermütig. Ich schlage vor, wir verschwinden schleunigst aus diesem Wald und sehen zu, dass wir einen sicheren Ort finden, bevor die Trolle uns doch noch erwischen.«
»Einverstanden.« Cristobel half Lucy auf die Beine. »Es sind nur noch wenige Meter bis zum Waldrand. Wenn wir die geschafft haben, sind wir in Sicherheit.«
»Das wird auch allerhöchste Zeit«, sagte Lucy, die sich die Arme rieb. Sie hatte sich an einem der Dornenbüsche zerkratzt, und es fing langsam an zu brennen, als hätte es sich entzündet.
»Geht es Euch gut?«, fragte Cristobel, dem der Schweiß auf Lucys Stirn auffiel.
»Ja, nur die Dornenbüsche haben mich erwischt. Ich hoffe, dass ihr Kerle ein wenig Peroxyd in eurem Dorf habt.«
»Peroxyd?«, fragte Cristobel mit leicht verwirrtem Ausdruck.
Lucy schüttelte nur den Kopf. »Schon gut. Verschwinden wir von hier.«
Als Lucy und Cristobel den Wald endlich verlassen hatten, sah es so aus, als hätten sie die Slovs und die Trolle abgeschüttelt – aber für wie lange, das wussten sie nicht.
»Mein Dorf liegt genau hinter diesem Hügel. Man wird uns Essen und Unterschlupf gewähren, wenn wir erst einmal dort sind. Ich kann sogar schon die Lagerfeuer sehen.« Cristobel deutete auf den aufsteigenden Rauch, der jenseits der Talscheiden zu sehen war. »Kommt.« Er zog sie an der Hand hinter sich her, und sie überquerten den letzten Hügel, von dem aus man das Dorf überblicken konnte. Als es schließlich in Sicht kam, zeichnete sich blankes Entsetzen auf Cristobels Gesicht ab.
»Nein.« Das war alles, was er herausbrachte, bevor er auf die Knie sank und zu weinen begann. Das Einzige, was von seinem Dorf übriggeblieben war, waren die verkohlten Ruinen der kleinen Hütten.
9. Kapitel
An der Ecke der 79. Straße und der West End Avenue kam das Taxi abrupt zum Stehen. Der korpulente Fahrer traute dem merkwürdig aussehenden Trio nicht, aber als Rogue ihm einen 100-Dollar-Schein in die Hand drückte und ihm sagte, er könne den Rest behalten, hörte er auf zu meckern. Asha erntete mehr als nur ein paar neugierige Blicke der Anwohner, und sie konnte es ihnen nicht verdenken. Ihr Leder-Outfit hatte einen langen Riss am Oberschenkel, und das getrocknete Blut in ihren Haaren hatte ihre Frisur aus der Form gebracht. Das und die Tatsache, dass sie einen Affen dabeihatte, machten sie zu einer echten Attraktion.
»Ich sage euch, seit meiner Einschulung bin ich nie wieder so angestarrt worden wie heute.« Asha drückte Azuma an ihre Brust.
»Keine Sorge, du siehst blendend aus«, sagte Morgan mit einem Lächeln. Asha erwiderte es nicht.
Sie betraten Rogues Haus im selben Moment, als ein älteres Paar herauskam. Der Mann stellte sich schützend vor seine Frau, aber als er Rogue sah, entspannte er sich. »Mr. Rogue«, begrüßte ihn der ältere Herr, wenn auch nicht sonderlich herzlich.
»Guten Tag, Mr. Harmon, Mrs. Harmon.« Rogue nickte den beiden zu und lächelte sie etwas gekünstelt an. Die Harmons waren notorische Unruhestifter, und als Rogue damals sein Angebot für das Appartement in dem Haus abgegeben hatte, hatten sie lautstark versucht zu verhindern, dass er es bekam. Er musste keine Gedanken lesen können, um zu wissen, dass sie ihn jetzt nicht nur aus reiner Höflichkeit angesprochen hatten.
»Und? Wie weit sind Sie mit Ihren Ermittlungen? Ich hoffe, die Polizei wird diese drei Typen schnappen, ehe sie noch mehr Unheil anrichten können«, sagte Mrs. Harmon.
Rogue zog die Augenbrauen hoch. »Bitte?«
Mr. Harmon warf seiner Frau einen Blick zu, der ihr signalisieren sollte, sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern, aber sie ignorierte ihn und fuhr neugierig fort: »Sie wissen schon, diese mordende indianische Familie, über die den ganzen Abend in den Nachrichten berichtet wurde. Nachdem sie diese Menschen im Villenviertel ermordet haben, sollen sie auch noch eine Kirche in Brooklyn niedergebrannt und sogar einige der dort wohnenden Priester getötet haben.«
Rogue, Asha und Morgan tauschten nervöse Blicke. »Ich fürchte, dass ich davon noch gar nichts gehört habe.«
»Ach, was Sie nicht sagen!« Mrs. Harmon sah Rogue über ihren Brillenrand an. »Seltsam, weil wir nämlich diesen schrecklich lärmenden Wagen, den Sie fahren, am Tatort gesehen haben.«
Rogues Magen verkrampfte sich. Wenn ihn sogar die Harmons am Ort des Verbrechens gesehen hatten, konnte er sich leicht ausrechnen, wer außerdem noch in der Lage sein würde, eins und eins zusammenzuzählen.
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