Tropfen im Ozean
Kopf entspringen, wie sie es behauptete. Diesmal trug sie ein Moskitonetz, dessen Aufhängedraht sie oval verbogen hatte. Der oberste Zipfel Stoff war abgeschnitten, so dass der Bügel wie eine Halskrause auf ihren nackten Schultern lag und der für die Öffnung des Kopfes abgeschnittene, leichte Stoff, sich auf ihre schönen Brüste legte, ohne sie zu zeigen. Das Netz selbst hatte sie gekonnt um ihren Körper gewandet, man ahnte nur schemenhaft ihre Figur hindurch und mutmaßte dauernd, ob sie darunter etwas anhatte oder nicht. Eigentlich genial. Das einzig sichtbar Nackte waren ihre schmalen Füße. Sie hatte schöne Füße, schlanke Fesseln. Und ihr Gesicht war diesmal wie das einer Geisha geschminkt.
Jimmi neigte sich mir zu. „Ich hab sie schon drüben aufgenommen“, sagte er. „Ihr Manager hat was von ‚Kraftort’ gebrabbelt und dass sie hier, an dieser besonderen Stelle Botschaften empfangen könne...“
„Logisch“, brummte ich. „Ist ja auch rein zufällig die zentralste Stelle im Raum hier... guck mal, wie viele Kameras auf sie gerichtet sind!“
Jimmi grinste und mir wurde bewusst, dass er E!Liza viel besser nehmen konnte als ich. Viel humoristischer. Er verband keine persönlichen Emotionen mit ihr und tat das, was WOM mir geraten hatte: einfach seinen Job. Das verblüffte mich. Denn das hieß, dass es einen roten Punkt geben musste, den sie bei mir drückte. Mit Mühe wandte ich mich wieder dem Geschehen zu:
„Wie sieht’s aus, E!Liza... haben Sie eine Botschaft von den Marsmenschen für uns?“ fragte ein Reporter boshaft und hielt ihr das Mikro hin.
Jimmi hinter mir sagte: Okay, jetzt kommt’s“ und nahm die Kamera hoch. Aber zu unserer aller Überraschung sagte E!Liza gar nichts. Sie stand nur stumm da und starrte über die Leute. Neugierig folgte ich ihrem Blick. Sie starrte auf einen Mann, den ich nicht kannte und der sie ebenso fixierte. Sie kam mir trotzig vor. Bockig. Und dann bemerkte ich J, etwas weiter entfernt, der gerade mit einem jungen Kerl sprach und mit dem Finger auf E!Liza deutete. Jimmi stieß mich an und ich lenkte meine Aufmerksamkeit zurück auf E!Liza.
„Geh auf das Gesicht“, hörte ich mich sagen. „Close... noch mehr... ich lugte in seinen kleinen Monitor. „... das linke Auge... den Mund... Profil... jetzt runtergleiten, den Stoff entlang... die Füße...und noch mal... von unten nach oben... geh in die Knie, dann kriegst du’s besser...“ Jimmi tat, was ich sagte. Mit der Kamera fuhr er ihren Körper ab. Noch immer stand sie regungslos und stumm, wie diese Pantomimen in den Fußgängerzonen, die bei Münzeinwurf eine Bewegung machen. Ihre Lippen hatten sich vorgeschoben. Ihr Brustkorb bewegte sich kaum. Sie war ein Bild äußerster Spannung.
„Eine Botschaft von der Venus!“ schrie der gleiche Reporter. „Oder vom Erzengel Gabriel! Gib uns was, E!Liza!“
E!Liza schloss die Augen, hob den Arm vor die Stirn und senkte dabei den Kopf, als ob sie ihr Gesicht verbergen wolle. Kein Ton kam über ihre Lippen. Doch in diesem Moment stürmte ein Mann auf sie zu, sie sah ihn nicht kommen. Er rempelte sie an, tat so, als ob er ausrutsche, grabschte nach ihren Brüsten, fiel mit ihr zu Boden und versuchte, das Netz hochzureißen. War sie drunter nackt? Jeder glotzte, wobei doch für diese Gesellschaft ein nackter Körper nichts Außergewöhnliches sein dürfte. Der Mann, der auf ihr lag, schrie auf und rollte sich weg. E!Liza hatte ihn mit einem Elektroschocker gebannt. Die Kameras klickten, ein Blitzlichtgewitter regnete auf die beiden herab. Jimmi war bei dem Tumult mitgefallen. Ich sprang vor, rettete die Kamera, schulterte sie so schnell wie möglich und hielt auf die Menge. Close, close up – ich erwischte ein Loch in der Menschentraube, hielt auf E!Liza, ohne wirklich zu sehen, was ich filmte. Dann richtete ich mich auf. Totale, extreme long shot. Langer Schwenk von links nach rechts. Traf den Mann, den E!Liza angestarrt hatte, sah, wie er den Daumen hochhielt in ihre Richtung.
Es war alles gestellt. Das einzig Spannende würde sein, welche Schlagzeile daraus gemacht werden würde.
Frustriert ging ich mir die Hände waschen. Ein Model stellte sich neben mich, eine blasse Schönheit mit hellbraunem, glänzendem Haar. Sie überragte mich um einen ganzen Kopf, als sie sich neben mich ans Waschbecken gesellte und in ihrem Schminktäschchen kramte.
„Verflixt, ich hab meinen Lippenstift verloren“, sagte sie. „Hast du vielleicht ne passende
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