Tropfen im Ozean
Farbe für mich?“
„Ich hab nur eine Farbe, aber wenn die passt, kannst du sie gern benutzen“, antwortete ich und reichte ihr meinen.
„Oh, das ist lieb! Danke!“ Ich schaute sie an. Sie war wirklich eine Augenweide. Sie schaute zurück. Ich wurde rot.
„Sorry, dass ich so starre, aber du bist so schön“, sagte ich ihr. „Mein Gott, was gäbe ich dafür, so auszusehen wie du!“
„Hat Vorteile“, antwortete sie. „Aber die Nachteile sind zahlreicher... Lauter Affen, die dich anpöbeln, Eitelkeit hoch drei... die Männer, die hübsch sind, haben kein Geld und die Geld haben, sind alte Knacker. Und die, die hübsch sind und Geld haben, kannste in der Pfeife rauchen, das sind die allergrößten Arschlöcher. Du ahnst nicht, was du dir alles gefallen lassen musst, nur weil du ein zeitgemäßes Gesicht hast und auf eine Party gehst. Und im Übrigen: du bist doch auch sehr hübsch!“
„Wow, das hat mir schon lang keiner mehr gesagt!“ grinste ich und nahm meinen Lippenstift wieder entgegen. „Warum bist du dann hier, wenn du das alles nicht magst?“
„Ich bin Hostess... es ist gut bezahlt, gutes Geld für mein Mathestudium, aber die meisten denken, dass der Job einer Begleiterin im Bett endet... der Ruf ist schon mal dahin. Außerdem wirst du dauernd angemacht! Und wie blöde! Gerade eben hat mir wieder einer...“
„Gegen das Anmachen hätte ich nichts“, sagte ich schwach. Solche Leute hatten gut reden. Ich fragte mich oft, wie die sich wohl fühlen würden, wenn jeder an ihnen vorbei schauen würde, oder schlimmer noch, sie taxieren und für nicht gut genug befinden würde.
„Naja“, sagte sie und zog ihre Korsage zurecht. „Wenn dich einer anmacht, kannst du davon ausgehen, dass er es ernst meint. Diese Sicherheit habe ich nie.“
„Die habe ich auch nicht. Männer wollen doch beides: Schönheit und Qualitäten“.
„Nee, da bist du echt falsch gewickelt“, konterte sie. „Du kommst gar nicht dazu, deine Vorzüge auszupacken, weil... es will keiner wissen. Aber es sind auch Nette hier... die, die hier arbeiten müssen... und es gibt sogar noch Idealisten unter ihnen, wenn sie’s auch nicht lange sind...“
Ich lachte und war froh, dass ich nicht die Einzige war, die diese Art Gesellschaft so schräg fand.
„Wie heißt du?“ fragte ich spontan.
„Heike“ antwortete sie vergnügt.
„Heike!“ wiederholte ich ungläubig. „ Wie alt bist du? 21? 22? Und du heißt nicht Chantal oder Soraya? Wow, was haben sich deine Eltern dabei gedacht?“
„Sie wollten wohl eine völlig normale Tochter“, sagte Heike und lächelte etwas wehmütig. „Und schau, was aus mir geworden ist.“
„Ich sehe eine wunderschöne Mathematik-Studentin mit hohen Ambitionen“, erwiderte ich. „Eine Traumfrau! Meine Güte, du hast vom lieben Gott so viel mitbekommen! So viel! Und du hast Werte und Ziele und arbeitest, um dein Studium zu finanzieren... das ist doch bewundernswert!“
Überrascht starrte sie mich an. Dann lächelte sie und senkte ihre unendlich langen Wimpern. „Du bist süß“, sagte sie. „So was hört man nicht oft. Wie alt bist du? 30?“
Ich schaute überrascht in den Spiegel. Noch vor einem halben Jahr hatten mich die meisten zehn Jahre älter geschätzt als ich war. Meine Stimmung hob sich und Heike nahm mich mit zu ihrer Clique. Ihr Begleiter hatte eine Besprechung, was ihr für ein bis zwei Stunden Freiraum verschaffte, und sie machte mich mit allen Leuten vertraut, die sie kannte. Viele waren Studentinnen wie sie, aber ich lernte auch Studiochefs und Regisseure kennen, Autoren und Schauspieler und es war eine super nette Runde, die Heike zusammenstellte. Mit vielen tauschte ich Nummer und mail-Adressen aus und blieb danach vor allem mit Heike in Kontakt.
Wir waren mit Abstand die lautesten und lustigsten im Saal und als J endlich geruhte, sich wieder meiner zu erinnern, war er erstaunt, mich so gut gelaunt vorzufinden.
***
„Elisha, Liebes, was ist los?“ sagte ich erschrocken, als ich ins Büro kam. Rotgeweinte Augen sahen mich an und ich drückte Elisha spontan an mich. Schluchzend ließ sie es geschehen.
„Sag nicht, dass Rob dich schon wieder geärgert hat“, knurrte ich und schwor mir, ein ernsthaftes Wort mit ihm zu reden.
„Nein, nicht Rob – der lässt mich seit einiger Zeit in Ruhe“, sagte Elisha, schob sich weg und putzte sich die Nase.
„Nicht Rob? Was ist dann?“
Sie neigte sich mir zu und flüsterte: „Ich hab was ganz
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