Tropfen im Ozean
nur das Ego dieser Menschen auf den Partys, sondern auch dessen Ursprung: Angst. Sah, wie sehr sie an diese Angst gebunden waren und sie der Grund für ihre Handlungen war. Angst, kein Geld mehr zu verdienen, Angst, bei den Produzenten untendurch zu fallen, nicht mehr angesagt, nicht mehr beliebt zu sein... nicht mehr in der Zeitung zu stehen... Angst, die teuren Kleider und Eintrittskarten nicht mehr bezahlen zu können, Angst, die Droge Ruhm könnte zur Neige gehen. Angst, nicht geliebt zu sein. Sie suchten ihren Selbstwert in diesen Dingen und sie waren ein Spiegel meines früheren Selbst.
Angst begegnete mir in allen Schattierungen und ich staunte, denn bis vor kurzem hatte ich selbst alle möglichen davon genährt. Und nun spürte ich etliche nicht mehr. Diese Gedanken wiederum erzeugten ein nie gekanntes Mitgefühl in mir und ich dachte oft daran, wie Zehngold mich damals mit seiner schlichten Herzlichkeit gerettet und wie gut mir das getan hatte. Das war kein Lob und kein Fernsehbericht gewesen – nur simple, pure Freundlichkeit.
So war ich liebenswürdig zu jedem und versuchte Gottes Schöpfung in jedem zu sehen. Und wenn einer meinte, das kleine Arschloch spielen zu müssen, fühlte ich mich nicht mehr persönlich angegriffen. Wenn ich mir auch nicht alles gefallen ließ, so gab es keine Wut mehr dahinter und das wiederum ließ mich völlig anders reagieren. Die Änderung meiner Reaktionsmuster wiederum gab mir Hoffnung auf noch stärkere Entwicklung und war ich vorher allein wegen der Situation mit J immer vergrämt und verbittert durch die Gegend gelaufen und hatte alles und jeden durch meinen schwarzen Gedankenfilter gesiebt, ging ich heute mit einem leichten Lächeln durch den Saal und machte meine Arbeit.
Es war so, wie WOM gesagt hatte: Wenn man sich selber nicht mehr so wichtig nahm und sich dennoch selbst das Wichtigste war, wenn man sich lediglich darauf konzentrierte, die Dinge so gut wie nur irgendwie möglich zu machen, entstand ein sattes Gefühl in einem drin.
Nur Emilie stachelte mich nach wie vor auf und rammte Löcher in mein Herz. Oder in mein Ego. Keine Ahnung.
Auch sie hatte sich verändert. Ihre Kleider waren kürzer und gewagter, die Schuhe höher, die Schminke dicker. In ihre Augen war ein blasierter Ausdruck getreten und sie lachte noch schriller und lauter als E!Liza, als wolle sie ihr Konkurrenz machen. Und ihre Angriffe auf mich wurden direkter. Immer, wenn ich an Emilie vorbei laufen musste, sagte sie Dinge wie:
„Na, auch wieder am Arbeiten? Wo ist das Schulterpolster für die Kamera? Passt nicht so zum Kleid, was? Wie wär’s mit nem Blaumann, der verdeckt unschöne Dellen...“.
„Die Arme“, wandte sie sich dann an die Umstehenden. „wenn das ihre Eltern wüssten... tja, die ganze Ausbildung... um dann doch nur Hilfsdienste zu verrichten...“ und zu mir gewandt: „... soll ich dir wenigstens ein Glas Sekt organisieren? Oder besser Tee? Du siehst schrecklich aus“.
Die anderen lachten. Ich hantierte am Stativ, das ich für Jimmi aufstellte, und bemühte mich um Gleichmut.
Ihr starrer Blick durchbohrte mich. „...oder was zu essen? Darfst du während der Arbeitszeit überhaupt essen? Du siehst total verhungert aus. Deine Wangen sind so eingefallen. Und dein Busen... du meine Güte...! Es gibt doch Push ups! Oder hast du sogar einen an? J sagt, seine Hände auf deiner...“
„Es reicht, Emilie“, fuhr ich sie an und meine ganze Gelassenheit war beim Teufel.
„Tja“, fuhr sie fort. „...ich weiß, heikles Thema, aber J hat mir erzählt...“
„Geh mal zur Seite“. Barsch stieß Jimmi sie an. „Du stehst im Bild.“
Ich schenkte ihm einen dankbaren Blick, während er mir zuzwinkerte und mit dem Mund ein für alle sichtbares, stummes „Blöde Kuh!“ formte. Emilie funkelte ihn böse an.
Aber hinter ihr stand E!Liza und Emilie musste notgedrungen weichen. Ich sah in Ems Augen und war geschockt. Sie waren hasserfüllt. Und ich wusste nicht, ob der Hass mir, Jimmi oder E!Liza galt.
Ich konzentrierte mich auf E!Liza - seit ich den Auftrag von J hatte, nahm ich alles mit, was ich konnte, aber das reichte natürlich nicht – denn auf den Partys filmten alle – es war nicht exklusiv. Aber im Studio hatte ich oft keine Zeit für Recherchen – es gestaltete sich schwieriger, als ich gedacht hatte.
Egal, wie man über E!Liza dachte, eines musste man ihr lassen: Ihre Fantasie und Kreativität waren kaum zu toppen, sollten ihre Outfits wirklich ihrem
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