Tropfen im Ozean
du hinaus?“
„Warts ab“. Er setzte mir Kopfhörer auf und sagte: „Augen zu“.
E!Lizas rauchige Stimme ertönte:
„Man müsste den Kindern sagen, was es heißt, Karriere zu machen... was es wirklich bedeutet. Worauf es wirklich ankommt im Leben. Einer muss ihnen ja die Augen öffnen“.
„Die Kinder sollten ein bisschen Praxiserfahrung bekommen... und Spaß! Die armen Kleinen wissen ja gar nicht, was sie erwartet, wenn sie mit dem wirklichen Leben konfrontiert werden...“
Als Sannyasi im orangefarbenen Lungi inmitten der Kinder, die sie in der Schule besucht hatte. Sie fragt sie nach ihren Noten und wie sie die Schule finden.
„Schule ist doof“, sagt ein Kind.
„Strengst du dich denn an?“
„Ja, aber ich krieg trotzdem schlechte Noten. Und der Lehrer sagt, ich bin dumm. Ich soll nicht aufs Gymnasium, weil man auch Handwerker braucht.“
E!Liza antwortet erst gar nichts. Dann beugt sie sich zu dem Kind.
„Du bist nicht dumm“, sagt sie. „Du bist ein schlaues, fleißiges Kind. Das musst du dir immer sagen. Wenn du dich anstrengst, kriegst du auch den Lohn dafür. Und daran musst du glauben. Egal, was sonst jemand zu dir sagt“.
„Das ist ja phantastisch“, sagte ich mit glänzenden Augen. „Woher hast du das?“
„Ich war dort, weil ein Neffe von mir in dieser Schule ist und hab’s aufgenommen. Gut, was?“
„Mehr als gut!“
Dann kommt das, was ich selbst von dieser Szene aus der Presse kenne: E!Liza stampft den Lehrer ein, der die Kinder so niedermacht. Sie beschimpft ihn als miesen Pädagogen, der seinen Machttrieb an Schwächeren auslässt, weil ihn wahrscheinlich seine Frau nicht mehr ranlässt. Im Zusammenhang gesehen musste ich drüber lachen, denn wenn man den Typen so ansah, hatte E!Liza irgendwie voll ins Schwarze getroffen. Aber ohne das Prelude wirkte die Ansage total ungerechtfertigt und platt.
Dann ihr berühmter Satz in der Talkshow an den weltweit anerkannten Modezar: „Du bist ein blöder Egomane und denkst nur mit dem Schwanz“.
„Naja“, sagte ich. „Das ist schon hart“.
„Aber der Typ ist ein blöder Egomane, der nur mit dem Schwanz denkt“, sagte Rob. „Fertig. Das weiß jeder. Und sie hat’s gesagt“.
Die Frage eines Reporters, der sie nach ihrer Karriere fragte:
„Alle wollen nach oben kommen... sehen Sie jemanden mit einer anderen Gesinnung hier in diesem Saal? Das ist das Credo... für die meisten.“
Ich machte die Augen auf und sah auf den Bildschirm. E!Lizas Gesicht war voller Hohn... genau wie damals, als J ihre Brust umfasst hatte. Für die Öffentlichkeit war publiziert worden: „... nach oben kommen... das ist das Credo...“
„Lug und Betrug... die Leute wollen verascht werden. Jeden Tag steht ein Dummer auf... aber wissen Sie was... wenn der Dumme hinter all dem nicht so hinterher wäre, wäre er erstens nicht dumm und zweitens immun“.
Anscheinend hatte keiner etwas mit diesem Satz anfangen können. Übertragen worden war ebenfalls nur der passende Ausschnitt: „Jeden Tag steht ein Dummer auf ... Die Leute wollen verarscht werden“. Wenn man das äußere Brimborium ihrer Auftritte weg ließ, blieben Sätze voller Sarkasmus übrig, Wortspielereien, die in der Leere der sonstigen Geschehnisse und den nichtigen Fragen der Boulevard-Reporter untergingen.
Dann spulte Rob mir die Szene an, bei der ich live dabei gewesen war: Als sie auf den Tresen gesprungen war, nachdem J sie angemacht hatte:
„Mehr aber als vor allem anderen ekelte ihm vor sich selbst, vor seinen duftenden Haaren, vor dem Weingeruch seines Mundes...“
„Erkennst du den Text?“ fragte Rob.
„Nein“, sagte ich erstaunt. „Du?“
„Klaro – eins meiner Lieblingsbücher. Hesse. Siddharta. Sie kann es auswendig... zumindest dieses Stück“.
Nach zwanzig Minuten nahm ich den Kopfhörer ab und holte mein Handy mit der Aufnahme der alten Dame hervor.
„Es folgt eine weitere Premiere“, sagte ich. „Keine Ahnung, ob das, was da drauf ist, nützlich ist, aber das bleibt jetzt unter uns, Rob. Ich weiß nicht, warum, aber mein Gefühl sagt mir, dass das sonst keiner wissen sollte“.
„Okidoki“, antwortete er und spielte die Daten auf die Festplatte.
Die ersten Aufnahmen waren äußerst verwackelt.
„Sie ist nicht mehr die Jüngste“, sagte ich entschuldigend. „Aber eine ganz reizende alte Dame, sie würde dir gefallen“.
Die Kamera war von schräg hinten auf Tisch und Stuhl von E!Liza gerichtet, die mit ihrem Ballkleid steif und
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