Tropfen im Ozean
bewegungslos da saß. Man sah ihren durchgedrückten Rücken durch die überkreuzten Seidenbänder.
„Warum hat sie die Maske auf?“ murmelte Rob.
„Weil sie ihr Gesicht nie zeigt“, antwortete ich. „Das ist ihr Markenzeichen. Das weißt du doch.“
Aber er schwieg daraufhin. Mit einem übergeschlagenen Bein saß er hochkonzentriert vor dem Bildschirm.
Die Linse schwenkt auf das Innenleben des Restaurants. Zwei Männer rasen durch, die Seiten ihrer Jacketts fliegen auf, James Browns kratzige Stimme ertönt, die Trompeten heulen auf, die Männer reißen die Arme nach oben - der bekannte Auftritt. Der Tisch, E!Liza von hinten auf dem Stuhl, der Mann, der sich hinter sie stellt, sich vorbeugt, ihr etwas zuflüstert.
„Warum steht sie nicht auf?“ fragte Rob. „Das passt doch nicht zu ihr! Das ist Fake! Sie macht keine Pornos. Warum steht sie nicht auf? Warum macht sie den Mund nicht auf?“
Sie hat ihn aufgemacht, fällt mir ein, und dann wieder geschlossen. Laut sagte ich: „Aber sie hat gelächelt... als der Mann ihr ins Ohr flüsterte. Eindeutig gelächelt.“
Doch irgendetwas daran stimmte nicht. Wir wussten beide nicht, was. Der eine Mann stand hinter ihr, drückte mit beiden Händen auf ihre Schultern, beschwerte sie. Rob sah mich kurz an.
„Sie steht ja auf“, sagte ich aufgewühlt. „Sie ist aufgestanden. Als die Männer das mit dem Sex-Format proklamiert haben... Rob, sie wollte die Maske abnehmen“.
Wir sehen die Szene nun von schräg hinten. Der brutale Kuss des Produzenten. In mir war wieder dieses widerliche Gefühl, als ich diesen Kuss sah. Dann der Stoff, der an ihren hübschen Beinen herabgleitet... Rob hingegen sprang auf und bekam Glubschaugen.
„Hast du das gesehen?“ rief er heiser vor Aufregung. „Hast du das gesehen?“
„Hallo? Was glaubst du denn?! Ich war vielleicht dabei?!“
„Nein... nein... das mein ich nicht...“
Mit fahrigen Fingern spulte er zurück, vergrößerte das Bild. Auf ihren Rücken, auf die Hand des Produzenten Gustav, der sie küsst.
„Da!“ sagte Rob und ging so nah ran, wie er konnte.
Und da sah ich es: Gustav hat ein Messer in der Hand. Wir sehen den Kuss in Nahaufnahme. Gustav beißt E!Liza in die Lippe. Ihr Gesicht ist schmerzverzogen, seine Augen offen - er droht ihr mit den Augen. Und E!Liza hält still. Er hat das Messer hinten an ihrem Hals. Sie trotzt mit den Augen zurück. Und da fährt das Messer nach unten. Sie steht in Unterwäsche. Und als er sie dreht, mit seinen Armen von hinten umschlingt, da liegt das Messer genau über ihrer Brust. In seiner Hand. Der Rest des Publikums sah nur die Rücken der beiden, aber hier, hier haben wir die Szene von vorne, sehen wir das, war niemand sehen sollte: Ein Messer, direkt an E!Lizas Herz. Dennoch sieht es aus, auch von vorne, wie eine innige Umarmung.
Rob war supergenau. Er nahm sich noch einmal die Szene vor, in der die Männer durch das Café rauschten, rasterte jeden Frame ab: Und auch hier, bei den auffliegenden Rockschößen, als die Männer die Hände nach oben reißen, sieht man es kurz aufblitzen, kann man die Konturen durch den Stoff erkennen. Ein Messer, griffbereit in Gustavs Hosentasche.
Stumm sahen Rob und ich uns an.
„Rob“, sagte ich. „Das ist nicht mehr lustig“.
„Lustig ist anders“, stimmte er zu und verfiel in Schweigen.
„Polizei?“
„ Wär’ sicher angebracht...“
„Aber sie werden sagen, das sei Show... geplant, sie haben das Messer gebraucht, um das Kleid zu zerschneiden... sie hatte Schnüre am Rücken – die lassen sich leicht durchtrennen... sie könnten sagen, das war alles Absicht. Er musste ja das Messer in seiner Hand verstecken...“
„Und der Biss?“
Aber er wie ich spürte, dass wir so nicht weiterkommen würden.
„Ich hab die Nummer von ihrem Agenten“, vertraute ich Rob dann an. „Aber Jimmi hat gesagt, der Mann sei brutal und ...“
„Dem muss man nicht lang in die Visage schauen, um zu wissen, dass das stimmt“, murmelte Rob. Er sank fast in so etwas wie Meditation.
„An was denkst du?“ fragte ich ihn.
„Was das alles soll“, antwortete er. „Was dahintersteckt“.
Von den Ereignissen des Tages überwältigt, gingen wir nach Hause.
Ich war unglaublich froh, dass Rob mit im Boot war. In ihm hatte ich einen starken Verbündeten.
Häutung
Nach den Erlebnissen mit Florian und den Ereignissen im Geschäft zwang ich mich zu meditieren. Und es gelang mir sogar, abzutauchen, obwohl die Welt um
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