Tropfen im Ozean
mir nicht schnell genug gehen konnte. Ruckartig öffnete ich die Tür, gab ihr, weil sie gar so gemächlich tat, einen Schubs, warf ihr den Autoschlüssel hinterher, und schlug die Tür mit einem Rums hinter ihr zu. Mit hämmerndem Herzen lehnte ich mich dagegen und ließ mich nach unten gleiten.
In der Küche machte es ‚Plopp’, zehn Sekunden später kam Florian mit zwei prickelnden Sektgläsern in die Diele, setzte sich zu mir auf den Boden und drückte mir eines davon in die Hand.
„Ui“, kicherte er. „Herzlichen Glückwunsch! Die wären wir wohl hoffentlich los!“
***
Rob und ich waren wie im Fieber. Ich zeigte ihm die Aufnahmen und das überraschende Interview, das mir in den Schoß gefallen war. Wir arbeiteten wieder nachts, Sport hatte ich für die nächste Zeit gestrichen und selbst Florian musste zurückstehen. Nur WOM würde ich nicht verschieben, auf gar keinen Fall.
„Aber wir sehen uns übermorgen, oder?“ hatte Florian gefragt und in seiner unvergleichlichen Art seinen Blick in den meinen gesenkt. In mir wurde es so weich innendrin... ich verging nach diesem Mann... und ich hatte ihm noch gar nicht von den Ereignissen, noch nichts von WOM erzählen können! Ich warf mich in seine Arme und drückte ihn so fest ich konnte.
„Ich liebe dich“, flüsterte ich in seine Lederweste. „Ich freu mich so sehr drauf, wenn dieses Ding endlich vom Tisch ist...“
Er streichelte mir über den Kopf und drückte mir einen Kuss auf den Scheitel. „Ich würde auch gern ein paar Dinge mit dir besprechen“, sagte er. „... wenn du dieses Projekt hinter dir hast“.
„Ja, dann fahren wir ein paar Tage weg“, sagte ich und drückte ihn noch fester. „Dann mache ich ganz offiziell Urlaub“.
Doch es kam alles ganz anders, als wir uns das so vorgestellt hatten.
WOM
„... und dann hab ich sie einfach rausgeschmissen“, erzählte ich WOM und sah ihn fast verwundert an. „Ich weiß nicht, ob das richtig war... weil, du sagst doch immer, man soll jeden mit Respekt und Liebe behandeln... ich hab sicher überreagiert und Sätze gesagt, die ... hm... naja, übertrieben waren... vielleicht muss ich mich irgendwann auch mal dafür entschuldigen... “
„Papperlapapp“, sagte er und runzelte die Stirn. „Du hast dich für gar nichts zu entschuldigen. Im Gegenteil – sie müsste sich entschuldigen, aber dazu gehört Erkenntnis... und nicht nur das, dazu gehört Größe... und die hat sie nicht. Und du, du hast zum ersten Mal in deinem Leben zu dir gestanden, keine Schreckstarre mehr! Egal, was andere drüber denken mögen... das war gut! Das war sogar sehr gut!“
„Aber ich hab sie ganz sicher verletzt“, antwortete ich. „Und das soll man doch nicht tun“.
„Ach, weißt du“, seufzte er. „Liebe hat viele Gesichter. Liebe heißt nicht Schwäche und schon gar nicht bedeutet es, alles zu erdulden. Liebe heißt, sein Herz verteidigen. Das Große darin. Und das hast du getan! Wenn du Emilie ständig die Erlaubnis gibst, sich alles nehmen zu dürfen, wie soll sie dann ihre eigene Liebe finden? Das ist, als ob du einem Drogenabhängigen immer Geld gibst – er wird nie davon wegkommen“.
„Das heißt, das ist nun ihr Weg zur Liebe?“
„Natürlich“, antwortete er und tätschelte wie so oft mein Bein. „Wie alles... wie bei dir und deinen Eltern... und weil du das weißt, solltest du das leben – und die Vergangenheit und deine Eltern in Ruhe lassen. Denn wenn man sich selber liebt und achtet und ehrt - und für mich ehrt man damit Gott, weil er uns ja gemacht hat - dann gewinnt das „äußere Leben“ die Gewichtung, die es verdient. Man nimmt vieles nicht mehr so schwer, fühlt sich persönlich nicht mehr angegriffen, hat eine Heiterkeit an sich, die einen jeden negativen Gedanken als Zeitverschwendung empfinden lässt - und man gewinnt ein Unterscheidungsvermögen, das einem die Sicherheit gibt, im Leben so handeln zu können, wie es angemessen ist. Verstehst du das?“
Ich nickte glücklich. „Ja, ich verstehe das. Und auch, dass es ein Prozess ist... ein lebenslanger Prozess, sich selbst zu schätzen... das Innere in mir... zu verstehen, dass es keine Trennung gibt zwischen mir und der Instanz, die mich geschaffen hat“.
„Sehr gut“, lächelte er. „Hundert Punkte!“
Dann erzählte ich ihm von dem Film und der Entwicklung, die das Ganze nahm. Er sagte nichts dazu, lächelte nur leicht, blinzelte in den Himmel und wickelte die Decke fester um sich. Es war kalt
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