Tropfen im Ozean
mittlerweile geöffnet hatte.
„Aber... ich will nicht gehen... nicht ohne dich wiedersehen zu können... ich will nicht dass du gehst... ich bin so froh, dass es dich gibt... lass mich nicht allein... ich...“
„Du bist nicht allein“, konstatierte er. „Das weißt du. Es geht nicht nur um die körperliche Form. Es geht nicht um mich. Du bist nicht allein. Du hast alles. Alles! Du hast es gefühlt! Du weißt es. Mehr ist nicht zu tun, mehr gibt es nicht zu wissen!! Sei der Tropfen im Ozean und fließe mit der Strömung!“
Noch immer fühle ich, das Abschließende nicht wahrhaben wollend, die langsam hoch kriechende Betäubung nach diesen Worten, das scheußliche Gefühl einer tödlichen Endgültigkeit im Magen. So gern hätte ich meinen Blick noch einmal in diese wundervollen, wissenden Augen getaucht. Stattdessen spürte ich überdeutlich seine Hand auf meinem Rücken, warm, kräftig, bestimmt, wie sie drückte, schob, bis zur Tür... durch die Tür und dann - mich losließ.
Die Tür fiel ins Schloss.
***
Ich wollte es nicht wahrhaben. Obwohl er seine magischen fünf Worte die monatelange Einladung zu ihm, nicht ausgesprochen hatte, fuhr ich am nächsten Morgen zur Tür. Sie stand offen, der Schlüssel war fort. Ich rannte fast zur Bank - da war sie, leer, verlassen, kein Tisch, kein Wohnmobil, kein Zelt... nichts. Er war fort. Er war wirklich fort. Ich konnte es nicht fassen.
Es war wenig Zeit zu trauern. Ich verkroch mich für den Rest des Tages im Bett und weinte um diesen alten, weisen Mann, den gütigsten, selbstlosesten Menschen, den ich je kennen gelernt hatte. Ich vermisste ihn mit jeder Faser meines Herzens. Jedes Mal, wenn ich daran dachte, nie wieder mit ihm Tee auf dieser Bank im Wald zu trinken, nie wieder mich an ihn schmiegen, nie wieder ihn einfach alles fragen zu können – trieb es mir erneut die Tränen in die Augen. Aber ich hatte nicht viel Zeit zum Weinen. Und ich hatte gelernt in diesen Monaten, hatte seine letzten Worte im Kopf, im Herz, in jeder Zelle meines Körpers. „Vertrau. Vertrau dem Leben. Du bist nicht allein. Du hast alles. Du hast es gefühlt“.
Letzte Runde
Mit Rob im Studio stürzte ich mich in die Arbeit. In allem, was ich tat, musste ich an WOM denken. Er war da, so wie er gesagt hatte. Ich erinnerte mich daran, wie er mich gelehrt hatte, dass wir alles mit unserer Energie erfüllen – und so legte ich mein Herz und meine Liebe in diese Reportage, den Gedanken im Vordergrund, etwas Gutes damit zu tun, egal, wie es für mich ausgehen würde. Mit Erstaunen bemerkte ich, dass es gar nicht so schwer war, Gedanken an wünschenswerte Ergebnisse, an Lob und Tadel loszulassen. Und ich fühlte eine unendliche Dankbarkeit in mir, die mir das Trauern verbot, die mich reifer machte, die eine tiefe Grundlage für mein Leben geworden war.
„Du lächelst immer so“, sagte Rob und zupfte mich an der Nase. „Und das bei diesem Mist, den J uns da gegeben hat...“
„Deswegen“, antwortete ich und zupfte zurück. „Weil es kein Mist mehr ist, wenn wir das fertig haben“.
Der erste Grobschnitt stand.
„Es fehlt was“, sagte ich nervös. „Wir haben die Zusammenschnitte von E!Lizas Auftritten, die zwei Mega-Interviews, das Video der alten Dame... aber trotzdem... und ich möchte kurze Statements von Leuten, die E!Liza mögen und gut finden...“
„Ja, du hast Recht“, sagte er. „Im Prinzip haben wir zwei Personen, die für sie sprechen, mehr nicht“.
„Uns rennt die Zeit weg! J hat schon nach dem Rohling gefragt!“
„Was ist mit Jimmi?“ fragte Rob. „Hat er noch was? Der sollte sie doch beschatten?“
„Mein Gott, stimmt! Aber er hat sich nicht gemeldet... also glaube ich, er hat nichts... aber ich ruf ihn an... und dann hab ich noch eine Adresse von einer Ex-Schulkollegin... und ein paar Mannschaftsmitgliedern...“
„Wär klasse, wenn die ein Statement machen... sonst noch wer?“
„Der Termin mit dem Agenten... in ein paar Tagen“, sagte ich.
„Wehe, du lässt dein Handy nicht an, wenn du dort bist“.
„Ich hab dich auf Kurzwahl. Ich drück nur, wenn es brenzlig ist. Aber was soll schon passieren?“
Rob nickte. Aber er war trotzdem nicht glücklich. Wir waren sehr in Zweifel, ob wir die Szene mit dem Messer nicht herauslassen sollten, um nicht etwas heraufzubeschwören, was wir nicht vorhersehen konnten. Und weil wir nicht wussten wo E!Liza war. Irgendetwas warnte uns, aber in ihrer Brisanz war natürlich
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