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Tropfen im Ozean

Tropfen im Ozean

Titel: Tropfen im Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Subina Giuletti
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Zärtlichkeit, Sanftheit, Verständnis. Ich seufzte leise. Der Sekt, den ich zu schnell nach unten gestürzt hatte, benebelte mich sofort und die Welt war auf Slowmotion geschaltet. Das Licht war gedimmt, leichte Musik lief im Hintergrund und... oh, er sah so verdammt gut aus! Seine grauen Augen glitzerten, näherten sich mir. Wie auf Wolken, in eine unerwartete sanfte Romantik gebettet, fühlte ich die Wärme seines Brustkorbs, seine Lippen an meiner Wange, hörte sein leichtes Keuchen an meinem Ohr, seine Hand, die mir das Glas abnahm... plötzlich: Cut!  Uuund ... Action!
    Seine Lippen prallten auf die meinen, fordernd drängte seine Zunge in meinen Mund. Dann packte er zu, schob seinen Arm hinter meinen Rücken, hievte mich aus dem Stuhl, schubste mich auf den Konferenztisch. Mit klopfendem Herzen, herausgerissen aus meiner rosaroten Welt, sah ich ihn an. Realisierte mit Messerschärfe: J hatte mich auf seinen Tisch manövriert... mich! Meine Augen verrieten alles, er musste nicht fragen. Das hätte er wahrscheinlich sowieso nicht getan.
    Ich spürte seine Erregung, spürte die meine. Spürte, wie dieses animalische Verlangen die anfängliche Romantik komplett killte, wie ich automatisch meinen Körper gegen ihn drängte, mitmachte. Ich rieb meine Wange an der seinen, aber er drückte mich nach unten, knöpfte hastig meine Bluse auf und in diesen Sekunden gefror ich. Welchen BH hatte ich heute an? Und wie sah mein Busen aus, wenn ich lag? Und der Bauch! Der Bauch! Ich verteufelte mich selbst, dass ich diese Gedanken nicht abschütteln konnte, aber, peng, da waren sie und versauten mir alles. Und dann kamen noch mehr: Das Licht brannte so hell – man konnte ALLES sehen... oh Gott, wenn er mir die Hose auszieht... meine Hüften sieht! Den Pizza- und Fastfood-Hintern! Die Dellen! Die Speckschwarten! Ich hatte meine Beine nicht enthaart! Leicht panisch stützte ich mich auf die Ellbogen, um dem Busen wenigstens ein bisschen mehr Fülle zu geben. Doch es war zu spät. Das Feuer in mir war schlagartig erloschen, mein Kopf stärker als jedes Verlangen und ich fühlte mich in mehrfacher Hinsicht mies.
    „J“, sagte ich hektisch und drückte ihn weg. „...wir... das sollten wir lassen, bitte... es ist nicht... ich meine... das ist mir... es geht ein bisschen schnell...“
    Und als er mich völlig verdattert anstarrte, bekam ich ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn unterbrochen hatte.
    „...ähm... wir kennen uns doch kaum...“ flüsterte ich „... ich meine... nicht wirklich...“
    Verlegen verstummte ich und kam mir tatsächlich schäbig vor, weil ich ihm sein Vergnügen nahm. Und mich so saublöd anstellte.
    „Du kennst mich nicht?“ fragte er vollkommen entgeistert. „Hallo? Wie lange bist du schon hier? Und überhaupt... ist das wichtig? Wenn’s funkt, dann funkt’s, oder? Das iss ne Sekundensache!“
    Betreten schwieg ich. Das Empfinden, der totale Spielverderber zu sein bemächtigte sich meiner. Auch meine vorherigen Liebhaber hatten mir dieses Gefühl vermittelt. Und ich war mir immer so schäbig vorgekommen, dass ich weitergemacht hatte, obwohl ich nichts mehr gefühlt hatte. Es war, als ob ich mich auskoppelte, buchstäblich daneben stand – wie ein Außerirdischer, der die seltsamen, triebhaften Bewegungen der Menschen nicht versteht. Diese Erinnerungen verschlossen etwas in mir, etwas, das mir die Kraft gab, vom Tisch zu rutschen und die Bluse wieder zuzuknöpfen.
    „Nein, Joe“, sagte ich. „Wir... wir arbeiten doch zusammen. So was geht nie gut... und... außerdem... außerdem...“
    „Was außerdem?“ fragte J  mit einer Mischung aus verwundert und gereizt.
    „Außerdem weiß ich nicht, ob du es ernst meinst“, sagte ich leise und sah ihn an. „Hat es bei dir wirklich gefunkt? Und wenn, was für ein Funke ist das genau?“
    J öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Er antwortete mir nicht. Mist! Ich hatte es wohl versaut. Ich hätte mitmachen sollen! In Js Augen stahl sich ein Glitzern, das ich nicht deuten konnte. Das ich damals nicht hatte deuten können.
     
    In der Nacht träumte ich von J und mir. Von ihm in seinem leicht glänzenden blauen Anzug und mir in Größe 34. Es war ein schöner Traum. J hatte mir nicht nur einen Job gegeben, nicht nur mein Leben zum Besseren gewendet, er erweckte auch die Frau in mir. Er hatte mich begehrt. Das war Tatsache. Er wollte mich. Er war der Erste seit langem, der mich wollte. Und für all das war ich ihm dankbar. All das wärmte mein Herz,

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