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Tropfen im Ozean

Tropfen im Ozean

Titel: Tropfen im Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Subina Giuletti
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Stuhl. „Irgendwann wär’s wohl eh rausgekommen, war aber wirklich nur ne schnelle Nummer, nicht so wie bei dir! Aber das mit der Kündigung würde ich mir an deiner Stelle gut überlegen.“
    Ich war fassungslos ob seiner Unverfrorenheit. Da saß dieser Scheißkerl locker auf einem Stuhl und sagte Sorry?
    „Mehr hast du dazu nicht zu sagen?“ fragte ich heiser.
    „Nein, hab ich nicht. Jetzt komm, mach keinen Aufstand... und das mit der Kündigung...“
    „... ist gebongt, darauf kannst du Gift nehmen“, spuckte ich hervor. Verletzt, Nebel im Hirn. Aber dennoch entschlossen.
    „Wo willst du denn hin?“ fragte mich J und schaute mich gleichmütig an. „Abgesehen davon, dass ich dich nicht gehen lasse – du hast ein Jahr Kündigungszeit aufgrund deiner Position... keiner kennt dich. Dein Name taucht nirgendwo auf. Du hast keine Referenzen. Du hast nur für mich gearbeitet, ich bin dein einziger Arbeitgeber - du hast nirgendwo Fußabdrücke hinterlassen. Nirgendwo.“
    Mir wurde schwindlig.
    „Doch, hab ich“, sagte ich. „Ich hab Filme gemacht“.
    „JC hat Filme gemacht“, berichtigte er.
    „Du musst mir ein Arbeitszeugnis ausstellen“, flüsterte ich, das Ausmaß der Katastrophe nicht wahrhaben wollend. „...dazu bist du verpflichtet. Und darin musst du meine ganzen Aufgaben auflisten, alles, was ich gemacht habe, alles, was im Vertrag...“
    Meine Stimme erstarb vollends. Im Vertrag stand nichts Genaues. Meine Aufgaben waren mit der Zeit immer mehr geworden, aber J hatte nie etwas geändert. Und ich hatte nie was gesagt. Ich hatte gedacht, das sei nicht nötig. Es gab immer so viel Arbeit, dass das stets an hinterletzter Stelle gestanden war. Ich sah ihn an, ungläubig, dass er mir das antun wollte.
    „Süße, du kapierst schnell“, sagte er. „... Ich lasse dich nicht weg und du gehst nirgendwohin“.
    „Ich will ein Arbeitszeugnis“, flüsterte ich.
    „Kannst du gerne haben“, sagte J und räkelte sich im Stuhl, als ob er diese Unterhaltung genösse. „Aber ob du dich damit irgendwo blicken lassen kannst...“
    Mit großen Augen blickte ich auf diesen so gut aussehenden Menschen, der lässig vor mir saß und mit jedem Wort mein Gefängnis, meine Abhängigkeit beschrieb.
    „Tja“, meinte er, während er mich fixierte, wohl wissend, dass ich an der Grenze zum Ausbruch stand. „...und nur für den Fall, dass du dran denkst, unsere Kunden anzugehen... würd’ ich dir dringend von abraten... im Vertrag steht nämlich eindeutig, dass die mir gehören und du deren Daten nicht verwenden darfst, nicht eine Adresse, nicht eine Telefonnummer, sonst kann ich dich auf eine siebenstellige Summe verklagen... also, sieh es ein: Du bist ein Niemand – ohne mich.“
    Etwas fiel in mir, eine Schranke, ein Schlagbaum, und ich stürzte mit einem Schrei auf ihn zu. Wut füllte mein Hirn, besetzte es vollständig, radierte alles aus, wollte nur noch eines: Ihm Gewalt antun, ihm in diese vermaledeite, grinsende Fresse schlagen... aber er packte mich, vorbereitet auf den Angriff, und tat das, was er schon so oft gemacht hatte,  um mich zum Schweigen zu bringen: Er schob mir seine Zunge in den Mund.
    Verdammt, verdammt, verdammt. Warum wehrte ich mich nicht wirklich? Tatsächlich, irgendetwas in mir ersehnte es und das Erkennen dieses Gefühls machte mich krank. J lachte.
    „Hey!“ sagte er, keuchend, mich nach unten pressend „ ... du gehst nirgendwohin... nirgendwohin!“ Er riss mir die Kleider vom Leib, packte meine Arme, hielt sie fest, lachte wie verrückt, als ob meine Gegenwehr ihn zusätzlich anstachelte, und drückte sein Gewicht auf mich. Seine Augen glitzerten, drohten mir.
    „Lass mich los“, flüsterte ich unter Tränen. Hatte Angst, die anderen würden das mitbekommen, es war hellichter Tag.
    „Ich lass dich nicht los“, sagte er. „Begreif das... ich lass dich nicht los, verstehst du? Ich lass dich nicht gehen. Halt still“.
    Diese Worte, halt still... ich hörte sie und die Kraft verließ mich. Ich war aus Gummi, kein Muskel gehorchte mir. Ich versuchte seinen Körper von mir zu stemmen, aber er presste umso fester und hielt meine Hände über dem Kopf wie im Schraubstock zusammen.
    „Du hältst den Mund“, flüsterte er rau in mein Ohr und seine Hand ging an meine Kehle. „Du hältst jetzt einfach den Mund...“ und ich schloss denselben... und die Augen... erstarrte. Thanatose, mein zweites Instrument, ein Reflex war alles, wozu ich fähig war. Verachtete mich. Hasste mich.

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