Tropfen im Ozean
duftenden Haaren, vor dem Weingeruch seines Mundes, vor der schlaffen Müdigkeit und Unlust seiner Haut. Wie wenn einer, der allzuviel gegessen oder getrunken hat, es unter Qualen wieder erbricht und doch der Erleichterung froh ist, so wünschte sich der Schlaflose, in einem ungeheuren Schwall von Ekel sich dieser Genüsse, dieser Gewohnheiten, dieses ganzen sinnlosen Lebens und seiner selbst zu entledigen!...“ 2
Die Reporter knipsten, die Kameras liefen, ich registrierte, dass Jimmi genau vor ihr stand und sie aufnahm. Ich war froh, dass er professionell genug war und ohne Anweisung filmte. Sie schrie noch weiter, ich verstand nicht alles auf die Entfernung hin und ich wollte es auch gar nicht wissen. Ich war so müde, müde von allem – von meinem eigenen Stress, diesem schrecklichen Umfeld, sehnte mich nach ein bisschen Ruhe und suchte die Toilettenräume auf.
In der Kabine, krank von diesen Menschen um mich herum, setzte ich mich auf den Klodeckel und starrte vor mich hin. Was war das für ein Leben? Wozu sollte das alles gut sein? Bekam ich die berühmte Sinnkrise? Wurde ich depressiv? Ich hasste allein das Wort. Nicht weinen, nicht weinen, beherrsch dich, geh da raus, mach deinen Job... du schaffst das, du schaffst das. Wenn deine berufliche Reputation auch noch beim Teufel ist, dann verlässt er dich ganz. Das ist keine Lösung, sagte eine Stimme in mir. Halt die Fresse, antwortete eine andere. Halt still. Mach deinen Job. Geh da raus. Tränen flutschten hoch. Schlucken. Geh raus! Du schaffst das. Mit steifen Gliedern erhob ich mich, der Kloß stak deutlich in meinem Hals, als ich mir die Hände wusch.
Die Tür ging auf. E!Liza kam herein. Sie war so ziemlich die Letzte, die ich sehen wollte.
„Hi“, sagte sie, als sie mich sah. Ich antwortete nicht. Ich konnte nicht. Meine Kehle war zu. Meine Augen brannten. Dann bemerkte sie meinen Presseausweis und die kleine Kamera, registrierte das Schild, auf dem ‚JC’ stand und ihre Haltung änderte sich abrupt.
„Ich kann dir gern meinen Arsch zeigen“, sagte sie zynisch. „...falls du aus diesem Grund im Klo die Stellung gehalten hast“.
„Vielleicht hat ja der böse Wolf Interesse dran“, fauchte ich. Ich konnte diese vulgäre Fäkaliensprache nicht mehr hören. „Aber ich ganz bestimmt nicht!“
Sie lachte rau. „Willst du mich provozieren? Für ein besonders extremes Foto?“
„Mir reicht’s an Perversion, da braucht’s keine Steigerung“, ätzte ich sie an und mein ganzer Frust über J und mein schreckliches Privatleben entlud sich in diesem willkommenen Ventil.
„Mann, du bist echt ne verkniffene alte Schachtel, mit nem fetten Arsch“, sagte E!Liza leichthin. „Kein Sinn für Humor, was? Oder gar... “ sie stutzte, sah mich genauer an. „Hey, was ist ...“
Die Tür ging auf, jemand anderes kam rein. Das war ihr Glück, sonst wäre ich ihr mit ebendiesem Teil ins Gesicht gesprungen.
Ich hungerte nach normalen Aufträgen. Aber Hochzeiten filmten wir nur noch, wenn die Leute entweder die Preise zahlten, sie einen Draht zu J hatten oder saure-Gurken-Zeit war, das heißt kaum mehr.
Ein JC-Film war etwas Besonderes, das blieb – unsere Qualität war nach wie vor perfekt. Was auch blieb, war: Wer zahlte, bekam den Auftrag. Und mein Team blieb.
Aber ansonsten veränderte sich ziemlich viel.
J veränderte sich. Sein Umfeld veränderte sich. Seine Werte veränderten sich. Und Emilie trat in unser/mein Leben. Und das veränderte so ziemlich alles.
Niemand
Rob sah mich an. „Du siehst nicht gut aus“, sagte er mitfühlend und strich mir mit der Hand über den Rücken. Mir stiegen allein bei dieser sanften Berührung die Tränen in die Augen, in letzter Zeit war ich nahe am Wasser gebaut. Zu nah. Ich wusste, ich musste was unternehmen. Aber was? Und dann war da immer noch diese irrsinnige Hoffnung, dass es gut werden würde... ich werde dich nicht gehen lassen... der Urlaub... der Urlaub... wir würden endlich reden.
Gerda taxierte mich ebenso und schimpfte: „Du gehst jetzt auf der Stelle nach Hause und ruhst dich aus! Wie lange bist du schon wieder hier? 24 Stunden?“
„Keine Ahnung“, nuschelte ich. Es war mal wieder eine Eilsache am Laufen. Es war mir außerdem egal.
„ Ich bin 24 Stunden hier und sie noch länger“, sagte Rob und es lag kein Witz in seiner Stimme.
„Ich mache bald ein paar Tage Urlaub“, sagte ich kraftlos. „Wenn ich diesen Film hier fertig hab... ach ja Rob, schick bitte den
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