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Tropfen im Ozean

Tropfen im Ozean

Titel: Tropfen im Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Subina Giuletti
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Lehrling morgen ins Fichtelgebirge – da soll es gut Schnee geben - wir haben dem Sender versprochen, die Aufnahmen hochzuladen.“
    Rob nickte. Gerda sah mich immer noch besorgt an.
    „Wann warst du das letzte Mal an der frischen Luft?“ fragte sie und gab mir damit den Rest. Sie hörte sich an wie die Mutter, die ich mir immer gewünscht hatte. Die viele Arbeit, der Schlafmangel, das falsche Essen... der ständige Aufenthalt in abgedunkelten Räumen... ich war an der Grenze und spürte es selbst.
    Tapfer biss ich die Tränen zurück. Rob und Gerdas Blicke lasteten auf mir. Die beiden schauten sich an und ich bekam es mit. Die Kehle war so dicht, der Druck von unten so hoch... da schob sich was Gewaltiges nach oben, etwas Schreckliches... ich wollte das nicht sehen... nicht hier, nicht jetzt, niemals! Jetzt kam auch noch Susann dazu, sagte: „Gerda, mach ihr doch einen Kräutertee, was meinst du?“ und ich riss hektisch ein Tissue aus dem Karton und drückte es gegen mein Gesicht.
    „Meine Augen tränen“, sagte ich wenig glaubhaft. „Scheiße“.
     
    Nächster Tag.
    Rob und Gerda hatten mich mit vereinbarten Kräften nach Hause geschickt. Obwohl ich hundemüde war, drückte ich auf den AB und schaltete den Fernseher ein.
    Fünf Nachrichten auf Band. War es J? Wollte er den geplanten Urlaub wieder absagen? Das tat er immer per AB oder SMS, nie persönlich. Mit gemischten Gefühlen hörte ich die erste Message:
    „HIIII!!! Hier ist Emilie!!! Ruf mich mal an! Deine Eltern sagen, du kämst nicht mehr so oft... bei denen war ich schon... also, ruf an!“
    Bei meinen Eltern war ich gar nicht mehr. Mein Vater hatte mir seine Blamage nicht verziehen und meine Mutter fand im Moment noch nicht einmal zu ihrem üblichen „Na so was“ zurück angesichts der Tatsache, dass nur J über den roten Teppich gewandert war und ich Emilie keinen Job verschafft hatte.
    „HIIII!!!“ kreischte Emilie blechern in meine Gedanken. „Hab’s schon mal versucht... bist ja schon wieder nicht da... hab leider deine Handynummer nicht... ruf doch mal an!“
    Um ihrer Stimme zu entkommen, starrte ich stoisch ich auf den TV, zappte durch die Programme, um irgendetwas zu finden, das es wert war, angesehen zu werden.
    „HIIIII!!!...“ zerschlug ihre Kieksstimme meinen verzweifelten Versuch mich abzulenken. „Wo steckst du denn? Hier ist Emilie!!! Ruf zurück!“
    Ich schaltete den Fernseher aus. Schnaufte tief.
    „HIIII!“ schrillte es zum fünften Mal. „Das kann doch nicht sein! Ich weiß, dass du da bist!“
    Da war ich schon mal zuhause, da brach auch noch Emilie mit diesem Misston in meine letzte Oase! Ich wollte sie nicht zurückrufen! Ich sank aufs Bett und schlief endlich ein.
     
    Aber Emilie drang weit mehr vor, als mir lieb war. Schon am nächsten Tag.
    Ich saß in meinem Büro über einem Skript, als die Tür aufflog und J herein kam.
    „Hast du schon meine neue Felgen gesehen?“ rief er völlig aufgedreht. „Die musst du dir anschauen! Voll geil!“
    Ich lächelte wider Willen. J war immer so begeisterungsfähig, das mochte ich an ihm.
    „Bin grade über diesem Drehbuch für das Restaurant“, sagte ich. „Voll im Flow. Gib mir noch fünf bis zehn Minuten!“
    „Nix da! Die musst du gleich anschauen! Jetzt! Die sind der Hammer! Bin schon mal eine Runde durch die Stadt gefahren – der totale Hingucker! Du glaubst gar nicht, was die Leute gaffen! Jeder guckt! Aber jeder ! Saugeil!“
    Für J war alles im grünen Bereich. Die Sache mit dem Vertrag lastete nur auf mir und ich erhoffte mir während unseres Urlaubs auf den Kanaren Verständnis und Klarheit. Ich wollte und konnte das nicht so einfach stehen lassen. Inzwischen überrollte mich ja wie immer die Arbeit, und J konnte sicher sein, dass ich sie erledigte. Und natürlich rechnete er damit, dass ich alles auf sich beruhen lassen würde. Wie immer. Aber ich wollte kein Niemand sein, so wie er es gesagt hatte.
    „HIIII!“ gellte es da von der Tür. „Du hast ja sogar ein eigenes Büro!“
    Mit einem grässlichen Gefühl im Bauch blickte ich auf, genau wie J, nur der ohne grässliches Gefühl. Ihm fiel die Kinnlade herunter, als er sie sah. Sie schwebte ins Zimmer und von dieser Sekunde an war ich auf jeder Ebene, total und unwiderruflich, ein Niemand. Nicht nur im Abspann.
     
    ***
     
    Mein Geist stieg aus, um die Situation ertragen zu können, beobachtete, analysierte, zerlegte. Panik. Nahtoderfahrung. Ich schwebe und schaue zu.  Ein Film ohne Regie. Eine

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