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Tropfen im Ozean

Tropfen im Ozean

Titel: Tropfen im Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Subina Giuletti
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scheinen als ich…könnten Sie... ähm... könnten Sie mir vielleicht einen Tipp geben? Ich meine...“
    Diesmal brach er in einen so ungehemmten Lachanfall aus, dass er fast von der Bank fiel. Endgültig verwirrt knetete ich an meinem Taschentuch und sah ihn beleidigt an.
    Er wischte sich doch tatsächlich Lachtränen aus dem Augenwinkel! Was, verdammt noch mal, war an dieser Situation so lustig? Mein Gesichtsausdruck war wohl einigermaßen sauertöpfisch, was ihm den Schalk nicht nahm. 
    „Ach je!“ rief er vergnügt. „Entschuldige! Ich wollte mich auf gar keinen Fall über dich lustig machen, aber auf deiner Brust sitzen so viele Belastungen, dass es mir lächerlich vorkam, dass du nicht weißt, was ich meine. Ich vergesse immer… ach, egal...“, unterbrach er sich dann und wurde ernster. „Vielleicht erzählst du mir einfach,  was du so machst und wie es dir geht.“
    Ich weiß nicht, komischerweise fühlte ich mich, als habe er mir eine Aufgabe gestellt, die ich nicht hatte lösen können und nun schien er auf ein einfacheres Niveau herunterzufahren. Das störte mich. 
    „Äh, sagte ich doch schon… gut“, erwiderte ich indigniert. Begütigend legte er seine Hand auf mein Bein, seine Augen blickten mich an, mild und ohne jede Forderung.
    „Lass dein Ego doch einfach weg“, sagte er. „Immerhin warst du es, die mich gerufen hat“.
    „Ich habe Sie gerufen?“
    „Ach, lass einfach gut sein...“, beschwichtigte er. „Tatsache ist: Ich bin hier. Du bist hier. Nun sag mir, wie geht es dir? Ja, ich weiß, du hast gesagt „gut“, aber wie geht es dir wirklich?“
    Ich schwieg lange. Aufruhr im Kopf. Wollte alles sagen, traute mich nicht, wusste keinen Anfang. Endlich wisperte ich:
    „Na ja … manchmal könnte es besser gehen...“
    Er nickte, schwieg und nahm seinen Stab wieder zwischen beide Hände. Ich hatte das Gefühl, dass er jedes Verständnis für mich hatte – für mein Schweigen, für mein Reden, für mein Zögern.
    „Eigentlich …“, flüsterte ich weiter, „… fehlt manchmal etwas… ich weiß nicht, was. Vielleicht die Intensität. Die Freude. Am Leben.“
    Er blieb weiterhin stumm und ich wurde erneut unsicher. Ein Gefühl, das ich nicht haben wollte. Nicht hier, nicht bei ihm, nicht nach diesem Frieden von vorhin. Warum wollte er wissen, wie es mir ging, nur um dann auf meine Antworten nichts zu erwidern? Mein Chamäleoninstinkt versagte völlig bei ihm. Leicht enttäuscht verstummte ich. Dann sagte er:
    „Intensität fehlt sehr vielen Menschen, außer beim Leiden. Das machen sie dafür umso gründlicher. Es ist interessant, dass du diesen Begriff erwähnst.“
    Ich dachte über seine Worte nach und verglich sie mit meinen eigenen Reaktionsmustern.
    „Ja“, sagte ich schließlich. „Ja, das stimmt. Leiden ist irgendwie leichter als sich zu freuen. Und es dauert auch immer länger als die Freude-Phasen. Dabei wollen doch die Menschen so sehr, dass es ihnen gut geht. Ist komisch, oder?“
    „Ja, es ist wider die Natur, möchte man meinen“, antwortete er, „oder besser, wider ihrer eigentlichen Natur“.
    „Na ja, aber dauernd freuen geht ja nicht“, erklärte ich und versuchte mir vorzustellen, wie das wäre, wenn man sich den ganzen Tag freute. Oder zwei Tage... eine ganze Woche! Einen Monat! Immerzu! Du liebe Zeit! Puh, das hörte sich ja anstrengend an! Ich versuchte, mich zu erinnern, wie lange die längste Phase voller Freude in meinem Leben gewesen war.
    Der alte Mann schaute mich erst ungläubig an, dann hielt er sich die Hand vor den Mund und prustete laut los. Schon wieder! Er lachte, als ob ich den größten Witz des Jahrhunderts erzählt hätte, er konnte gar nicht aufhören zu lachen. Sobald er sich einigermaßen beruhigt hatte und er ansetzte, das Wort an mich zu richten, überwältigte ihn ein neuerlicher Lachanfall, bis ihm die Tränen aus den Augen liefen und ihm sichtlich die Bauchmuskeln wehtaten.
    Peinlich berührt, der Grund seines überaus heftigen Heiterkeitsausbruches zu sein, schaute ich ihn an.
    „Verzeih mir“, krächzte er schließlich mit heiserer Stimme. „Aber… das war… hihihi… das war…wirklich…du liebe Zeit…“ Umständlich kramte er ein weiteres Taschentuch aus der Hosentasche und putzte sich die Nase. Als er mich dann wieder ansah, schienen seine blauen Augen dunkler zu sein als vorher, noch intensiver, noch gefühlvoller.
    „Mäuschen“, sagte er und es klang so liebevoll, dass mir ganz weh ums Herz wurde. „ ... du

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