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Tropfen im Ozean

Tropfen im Ozean

Titel: Tropfen im Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Subina Giuletti
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hast ja echt keine Ahnung, du hast ja nicht die geringste Ahnung! Ach, du meine Güte!“
    Er erhob sich halb und arrangierte sein Kissen neu. Als er sich wieder setzte, war er ernst und schien über etwas nachzudenken. Ich hätte zu gern gewusst, worüber.
    Aber statt etwas zu sagen, legte er einfach nur den Arm um meine Schulter und drückte sie leicht. Ich kann gar nicht sagen, was das für ein Gefühl war. Diese leichte, feste Berührung an meiner Schulter, die Wärme seiner Hand, die durch den Stoff drang und sich so wohlig auf der Haut ausbreitete.
    Augenblicklich war ich versöhnt und musste aufpassen, dass ich nicht den Kopf an seine Schulter schmiegte.
    Wieder gab es diese Augenblicke vollkommenen Glücks, in denen einfach nichts fehlte. Wir saßen zusammen in der Sonne, in einer wunderschönen Umgebung und es gab nichts, was ich mir in diesem Moment gewünscht hätte. Außer, dass dies nie enden möge.
    Doch unaufhaltsam ging die Sonne unter, es wurde kühl. Widerstrebend sagte ich: „Ich glaube, ich sollte gehen“.
    In seiner so heiter-ruhigen Art antwortete er:
    „Ja, es wird dunkel. Ich bringe dich noch zur Tür“.
    Auf dem Weg dorthin wusste ich nichts zu sagen. Aber es war nicht peinlich, mit ihm zu schweigen. Und ich hatte auch nicht das Gefühl, dass wir aus Mangel an Gesprächsstoff schwiegen. Wir gingen einfach langsam den Weg, auf dem die letzten Sonnenstrahlen fielen, zurück.
    An der Tür angelangt, machte er diese galant für mich auf und lächelte mich an. Spontan reichte ich ihm beide Hände. 
    „Danke“, sagte ich mit Inbrunst. „Vielen Dank für diese schönen Stunden.“
    „Das Vergnügen war auf meiner Seite“, antwortete er warm. Mir lag die Frage auf der Zunge: „Bitte, darf ich wiederkommen?“ und brachte sie nicht heraus.
    Er zog den Schlüssel mit dem altmodischen, verschnörkelten Griff von außen ab und steckte ihn an die Innenseite der Tür. Dann sah er mich an und sagte:
    „Bis morgen, mein Kind“, und schob mich geradezu hinaus. Heiße Freude durchfuhr mich, ich konnte gerade noch fragen: „Gleiche Zeit?“, sah ihn nicken, dann fiel die Tür ins Schloss und ich hörte wie der Schlüssel sich drehte. Sekundenlang stand ich davor, dann drückte ich die Klinke nieder und stemmte mein Gewicht dagegen. Sie ließ sich nicht öffnen.
    Ich schaute um die Tür herum. Da lief er, eine immer kleiner werdende Silhouette. Sein weißes, gepflegt geschnittenes Haar wehte leicht im Wind. Ich sah ihm nach, bis ihn der Schatten des Waldes verschlang.
    Bis morgen, mein Kind. Wie schön das klang. Zum ersten Mal seit langem fühlte ich Frieden in meinem Herzen.
     
    ***
     
    In der Nacht musste ich an ihn denken. Daran, wie er gelacht hatte, als ich mein Statement über die Freude abgegeben hatte. Warum hatte er gelacht? Und mit einem Mal trat mir sein Gesicht ins Bewusstsein, der Ausdruck seiner Augen, und mir wurde klar, dass er Freude ausstrahlte, als ob er sie personifiziert hätte. Dass Freude tatsächlich sein Grundmuster war.
    Was war meine Antwort an ihn gewesen? Man könne sich nicht ewig freuen? Seine Reaktion: Nichts Verbales. Ein Heiterkeitsanfall. Er hatte den Arm um meine Schultern gelegt und ich war vollkommen glücklich gewesen. Schlagartig wurde mir bewusst, wie absolut dieser Zustand gewesen war. Und dass er anscheinend keine Mühe hatte, diese Freude nicht nur zu halten, nein, mehr noch: Er schien sie verinnerlicht zu haben. Sie war sein Wesen.
     

Lessons
     
    Die Dunkelheit war hereingebrochen, als ich am zweiten Tag das vorläufige Ende meiner Geschichte erzählte, nur kurz unterbrochen von seinen Aktivitäten, wenn er aufstand, um Decken zu holen, Tee nachschenkte oder mir ab und zu die Schulter tätschelte.
    Er hörte mir jede Sekunde intensiv zu, ohne auch nur geringste Ermüdungserscheinungen zu zeigen.
    Als ich endete, schwieg auch er. Zog mir einen Zipfel der Fleecedecke, die er mir gegen die Kühle des Abends gegeben hatte, ein bisschen weiter über die Schulter. Ich fühlte kalten Schweiß unter meinen Achseln, fror und schwitzte gleichzeitig. Mein T-Shirt unter der Decke war nass und mit einem Mal überkam mich bleierne Müdigkeit. Ich schloss die Augen. Lehnte mich an ihn. Es war so natürlich, bei ihm zu sein.
    „Es ist gut“, flüsterte er und legte seinen Arm um mich. „Es ist gut...“
    „Nein“, antwortete ich müde. „Eigentlich ist nichts gut“. Meine Stimme war heiser vom langen Reden und beim Artikulieren meiner Erlebnisse war mir

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