Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tropfen im Ozean

Tropfen im Ozean

Titel: Tropfen im Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Subina Giuletti
Vom Netzwerk:
ich. „Mir ist das Gespräch vom ersten Tag in den Kopf gekommen… du weißt schon, die Sache mit dem Freuen...“
    Eigentlich hatte ich mir eine kleine Einführung ausgedacht, in der ich ihn nach seinem Namen fragen - und ihm meinen nennen wollte.
    „Ja“, sagte er. „Das mit der Freude… das ist so eine Geschichte...“ während er den Inhalt meines Korb begutachtete. „Hm... lecker“, grinste er dann. „Ich stell das mal eben kühl und die hier...“ er zog die Tüte mit den Croissants heraus. „... die verputzen wir gleich, was?“
    Ich musste lachen, so wie er das sagte. Oh, es war so heimelig hier, so wunderschön! Tief atmete ich durch, als er sich zu seinem Wohnwagen begab und den Korb ins Innere brachte und folgte ihm neugierig mit den Augen. Aber dann schloss ich sie und genoss diese so friedliche Atmosphäre.
    „So!“ rief er, als er zurückkam. „Dann wollen wir mal Tacheles reden, was?“
    Überrascht öffnete ich die Augen. „Wie meinst du das denn?“ fragte ich perplex.
    „Na ja, wir haben ja was vor! Hast du was geträumt?“
    „Nein... ist das schlimm?“
    „Kommt schon noch“, sagte er, als ob er mich trösten wolle. „Wir stehen ja erst am Anfang“.
    „Moment mal... das hört sich an, als ob du einen Plan hättest?“
    „Natürlich, was dachtest du denn?“ Er kicherte wieder. „Du willst mir doch nicht erzählen, dass es mit dem gestrigen Erguss getan ist?“
    „Äh...nein... aber was meinst du damit?“
    „Ja, willst du diesen Müll jetzt loswerden oder nicht?“
    „Doch, schon“, erwiderte ich, immer verwunderter.
    „Ja, denn los!“ sagte er vergnügt. „Du hast ja auch noch andere Wünsche“.
    „Ach“, völlig verblüfft schaute ich ihn an. „Und die kennst du?“
    „Du nicht?“
    „Ja, doch, natürlich... aber woher...“
    „Dann zähl mal auf. Was willst du denn so vom Leben?“
    Wumm. Was will ich denn vom Leben. Die Qual der letzten Jahre stürzte mit dieser simplen Frage auf mich ein... und ich schreckte zurück. Das ging alles so schnell! Mit großen Augen sah ich den alten Mann an, der mich mit seinem ruhigen blauen Blick fixierte.
    „Hör mal, Mäuschen“, sagte er. „Entweder du springst jetzt voll ins Geschehen oder du lässt es. Das Eine wie das Andere ist völlig in Ordnung. Es ist lediglich eine Entscheidung von dir.“
    „Ich will“, sagte ich spontan, als ob er mir einen Heiratsantrag gestellt hätte. „Ja, ich will. Ich will das loswerden und ich will verstehen... und ich vertraue dir. Sag mir, was ich tun muss“.
    Er nickte befriedigt. Dann zog er einen zusammengefalteten Zettel aus der Hosentasche.
    „Das“, sagte er. „... ist dein Stundenplan. Der gilt, solange du Auszeit hast.“
    Ein Stundenplan! Verblüfft nahm ich das DIN A 4 Blatt entgegen und faltete es auseinander.
    3.30 bis 4.30 Uhr: Meditation stand da. Ich schluckte.
    4.30 bis 5.00 Uhr: Morgentee und Kontemplation
    5.00 bis 6.00 Uhr: Singen.
    Verdattert hob ich den Kopf und sah ihn an. Seine heiteren Augen ruhten auf mir. „Singen?“ krächzte ich. „Was denn? Volkslieder? Eine Stunde?“
    „Keine Sorge, ich geb’ dir was, da wird die Zeit nicht lang“, antwortete er gleichmütig. Mit leicht offenem Mund widmete ich weiter dem Plan:
    „6.10 bis 7.00 Uhr Frühstück, 8.00 bis 12.00 Uhr: Unterricht“.
    Wieder sah ich ihn an. Ich fürchte, mein Mund stand nun ganz weit offen.
    „Und?“ fragte er. „Lässt du dich darauf ein?“
    Ich nickte. Ich hatte keine Ahnung, was er vorhatte, aber etwas in mir war fest entschlossen mitzumachen.
     
    An diesem Tag stieg er ein mit den „Lessons“, wie er es nannte, und Tempo wie Tiefe der Gespräche forderten mich von Beginn an bis an meine Grenzen. Alles mit ihm war anders. Weder bot er übliche Erklärungshilfen, noch erfüllte er meine Erwartungen. Und am wenigsten zeigte er Mitleid - im Gegenteil - er war gnadenlos direkt. Von Beginn an machte er klar, dass unsere Gespräche nichts Theoretisches waren - er erwartete, dass ich all das in die Tat umsetzte, er erwartete und lehrte mich, mich am Höchsten zu orientieren und zwar egal, wie weit entfernt ich mich davon fühlte.
    Rückblickend staunte ich, wie klar er von Beginn an alles gesehen und erkannt hatte. In diesen Tagen war ich einfach ein verfilztes, verworrenes Knäuel an schmerzlichen Gedanken und Gefühlen, aus dem er einen heraushängendem Faden zog, ihn bis zur ersten Verwicklung verfolgte, hartnäckig Verknotungen und Schlingen löste, bis schließlich

Weitere Kostenlose Bücher