Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tropfen im Ozean

Tropfen im Ozean

Titel: Tropfen im Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Subina Giuletti
Vom Netzwerk:
so viele Kinder hatte ich, als ich klein war, von anderen Welten geträumt. Fremde Königreiche, die man mit dem Entdecken eines solchen geheimnisvollen Eingangs betreten konnte. Parallele Universen, in denen das Leben besser war, in der das Schöne die Hauptrolle spielte und Abenteuer so sicher in ein Happy End mündeten, dass man  unverrückbares Vertrauen zum Leben haben durfte. Ja, ich weiß, Phantasien eines Kindes, Flucht aus der Realität und so weiter. Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie ich als Sechsjährige eines Tages auf meinen Streifzügen im Wald ein langes Steinrohr in der Erde entdeckt hatte - und überzeugt gewesen war, in eine andere Welt zu kommen, wenn ich nur den Mut hätte, da durchzulaufen.
    Diese Gedanken in meinem Kopf, die Hände flach auf der Tür, schaute ich nach unten.
    Solche Welten gab es nicht. Damals war ich nur auf der anderen Seite des gleichen Waldes herausgekommen. Die gleiche Welt. Die gleiche Scheiße. Nichts hatte sich geändert, nur weil ich durch ein Rohr gelaufen war.
    Die Kirchturmuhr schlug ein Mal. Ich wandte mich ab.
     
    Aber die Tür war ließ mich nicht los. Ich dachte an sie. In der Badewanne, im Bett. Beim Essen, beim Lesen.
    Wer baute eine Tür an einen Baumstamm? Mit Schlüssel und Schloss?
    Schlaflos wälzte ich mich in den Kissen, als mir plötzlich ein scheinbar eminent wichtiger Gedanke kam: Ich hatte ja nur das sehen können, was sich rechts von der Tür befand. Die linke Seite war von hohen Bäumen verborgen gewesen. Ich schlug die Augen auf. Ich machte sie wieder zu.
    Mann, bist du blöd, rügte ich mich. Was soll hinter der Tür sein? Meinst du, da hört der Wald abrupt auf und dein Märchenland beginnt?
    Und doch – ich musste mich vergewissern, dass alles genauso war, wie ich es befürchtete.
     
    Fast gehetzt fuhr ich am nächsten Tag an den Waldrand, lief über die kleine Wiese und... Da war sie. Die Tür. Mein Herz änderte seinen Rhythmus. Ich tappte durch das hohe, ungemähte Gras, spürte meine Füße nass werden - in Erdnähe war alles noch feucht.
    Dann stand ich davor, strich mit der linken Hand wie tags zuvor über das Holz und umschloss mit der rechten die Klinke. Ich hätte jederzeit einfach um diese Tür herumgehen können. Aber ich wollte partout durch sie hindurch, drückte dagegen, schob sie auf und schloss sie sorgfältig.
    Ich stand hinter der Tür. 
    Bäume, Büsche, Wald, Traktorspuren, die einen Weg andeuteten.
    Hirnlose Enttäuschung machte sich in mir breit, gefolgt von Mutlosigkeit und Resignation. Mein Verstand meldete sich, kichernd, meckernd, hämisch: „Du hast tatsächlich ein Märchenland erwartet? Wie abgefahren ist das denn? Gott, bist du blöd.“
    Meine Reaktion war infantil. Das wusste ich und dennoch konnte ich nicht verhindern, dass sich ein Kloß in meinem Hals festzusetzen begann. Einen, den ich seit der Sache mit J ständig nach unten drückte. Niedergeschlagen schaute ich auf die Uhr. Ich hatte keine Lust, nach Hause zu gehen und so folgte ich dem Weg, in den Wald hinein. Ich wollte gehen, bis ich einen Platz fand, wo ich mich niederlassen konnte. Einen Baumstamm, einen Stein. Zum Denken sinnloser Gedanken, die zu gar nichts führten.
     
    Tatsächlich musste ich nicht lange laufen, bis ich auf eine verwitterte Bank stieß, deren Risse in der Sitzfläche von Moos durchsetzt waren.  
    Sonne fiel auf das Holz und intensivierte das smaragdene Grün der grazilen Pflanze. Die Bank sah einfach wunderschön aus – dieses dunkle Braun, das leuchtende Grün dazwischen, die Sonne, die all dies in Szene setzte. Ich lächelte und strich mit einem Finger über die feinen Härchen des Mooses, die sich wunderbar zart unter meinen Fingerkuppen anfühlten.
    Dann fiel mir ein, dass das Holz feucht sein musste, wenn Moos darauf wuchs, und das wiederum führte mich zu dem Entschluss, mich doch nicht zu setzen. Aber was sollte ich dann tun? Unschlüssig schaute ich den Weg entlang, um abzuschätzen, wie weit er mich in den Wald hineinführen würde, als ich plötzlich eine sanfte Stimme vernahm:
    „Aber bitte, setzen Sie sich doch!“
    Zutiefst erschrocken drehte ich mich um und sah einen alten Mann mit weißem Haar und unwahrscheinlich klaren blauen Augen vor mir stehen. Irgendwie fielen mir nur diese Augen auf. Der Rest seines Gesichtes verschwamm in diesen ersten Sekunden. Mit offenem Mund starrte ich ihn an, hörte mich selbst laut schlucken. 
    Ein unwiderstehliches Lächeln antwortete mir, das so tief in seinen

Weitere Kostenlose Bücher