Troposphere
ausradieren.«
»Aber du weißt, dass du das nicht tun darfst.«
»Weiß ich das?«
»Ja. Denk mal nach. Wenn Hitler an deiner Stelle wäre, würde er etwas anderes ausradieren. Wenn der Papst an deiner Stelle wäre, würde er die Welt wieder anders redigieren. Du musst die Hintertür schließen, die den Menschen diese Möglichkeit einräumt.«
»Und wenn ich nun weiß, dass ich recht habe?«
»Ach, komm schon. Ich kenne dein Bewusstsein. Du bist dir nie sicher, ob du recht hast.«
»Hitler glaubte, er hätte recht«, sage ich. »Aber alle sind der Meinung, dass er nicht recht hatte.«
»Natürlich hatte er nicht recht«, sagt Adam. »Ich will damit nicht einfach sagen, dass jede Meinung so berechtigt ist wie jede andere …«
»Moralischer Relativismus«, sage ich. »Das ist eine Falle.«
»Ja, aber du musst trotzdem begreifen, dass du das nicht entscheiden darfst. Wir dürfen das nicht entscheiden. Das ist nicht unsere Sache. Die Geschichte muss sich selbst entwickeln. Und das wird sie wahrscheinlich ohnehin tun, egal was wir machen. Wenn wir Hitler ausradieren, öffnen wir womöglich jemandem die Tür, der noch schlimmer ist. Ich bin mir nicht mal sicher, ob das, was wir schon getan haben, tatsächlich irgendwas ändert. Abbie Lathrop könnte beschließen, sich doch einfach noch ein paar Mäuse zu besorgen. Wenn sie es nicht tut, wird es jemand anders tun. Wir haben diesen Mäusen geholfen, aber nicht allen Mäusen.«
Ich trinke noch einen Schluck Wodka. »Ich bin froh, dass du hier bist.« Dann wird mir klar, was ich gerade gesagt habe. »Ich meine bei mir. Ich bin nicht froh darüber, dass du auf die Weise hier bist.« Ich stelle mein Glas ab. »Adam?«
»Was ist?«
»Was wird deiner Ansicht nach mit der Troposphäre geschehen, sobald ich in Lumas' Kopf war und ihn davon abgebracht habe, das Buch zu veröffentlichen?«
»Ich weiß es nicht.«
»Ich will nicht, dass du verschwindest.«
»Selbst wenn ich verschwinde, ist es das wert.«
»Wirklich?«
»Ja. Jetzt sollten wir uns beeilen und das hier erledigen. Du musst wieder zurück.«
Ich sage nichts.
»Ariel?«
»Ja, ich weiß. Ich will nur …« Ich stehe auf.
»Wo gehst du hin?«
»Nur hier zum Tisch.«
Ich gehe hinüber und schaue mir das Manuskript an. Genau, wie ich dachte, auf dem ersten Blatt der handgeschriebene Titel, und er lautet »The End of Mister Y«. Ich drehe mich um und gehe durch die Tür hinaus, Adam folgt mir.
»Willst du mit mir reinkommen?«, frage ich ihn.
»Natürlich«, sagt er.
Auf diese Weise, denke ich, ist die Chance größer, dass er bleibt, nachdem ich getan habe, was ich tun muss.
Wir gehen zur Buchhandlung zurück, und ich schaue ins Fenster. Dort sind mehrere Romane von Samuel Butler, die »Zoonomie« ebenfalls. Ich weiß, wer da hinter der Tür ist, ich muss sie nur aufmachen. Ich kann nicht mehr darüber nachdenken. Ich bin jetzt hier, und ich weiß, dass ich nicht beschließen werde, es nicht zu tun, also kann ich es genauso gut auch gleich tun. Ich küsse Adam, bevor wir an die Tür treten, dann mache ich sie auf und gehe rein.
Sie haben jetzt die Wahl.
Sie … ich … wir sitzen an dem alten Tisch im zugigen Wohnzimmer und schreiben, wie üblich. Dieses Buch … ich muss es schreiben. Ich muss es zu Ende schreiben. Ist es möglich, dass Menschen, die nicht schreiben, je verstehen, wie sich das anfühlt? Ich habe den armen Mr. Y wie einen Kreisel tanzen lassen, und jetzt muss ich dafür sorgen, dass er sich weiterdreht, bis er sein Ende findet. Und dann muss ich ihn anhalten und zurück in die Spielzeugkiste legen, todesmatt. Oh, was für einen grausamen Gott gäbe ich ab! Kann ich ihn nicht am Leben lassen? Nein, mach dich nicht lächerlich, Tom. Ihn am Leben zu lassen würde alle Regeln der Tragödie verletzen, und mehr noch: Es wäre nicht die Wahrheit. Also wird Mr. Y sterben, und er wird von meiner Hand sterben. Und dann … Und dann.
Meine Hand zittert, wenn ich daran denke. Und dann muss ich natürlich auch sterben.
Ich habe den feierlichsten Eid geschworen, dass ich die Troposphäre erst wieder besuchen werde, wenn dieser Roman fertig ist. Aber wenn ich zurückgehe, werde ich nicht wieder herauskommen. Andernfalls wird dieser Husten mein Ende sein. Ich verstehe, was der Arzt mir sagen wollte. Und auf mein rechtes Bein und diese Augen kann ich genauso gut verzichten. Natürlich bin ich auch dazu verflucht, an der schwersten Mittellosigkeit zu leiden, und seit vielen Jahren weiß ich,
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