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... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition)

... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition)

Titel: ... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor E. Frankl
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Hände, was ich nur konnte, obzwar sicher nur die geringste Lächerlichkeit im Liebesgedicht des Mördercapos darin bestand, daß sich fortwährend »Liebe« auf »Triebe« und »Herz« auf »Schmerz« reimten.
    Natürlich ist im großen und ganzen jeder sogenannte Kunstbetrieb im Lager voll des Grotesken; ja, ich möchte sagen, das eigentliche Erlebnis all dessen, was irgendwie mit Kunst zusammenhängt, ergibt sich so recht aus der gespenstischen Kontrastwirkung des Dargebotenen gegenüber dem Hintergrund des trostlosen Lagerlebens. Ich werde es nie vergessen können, wie ich in der zweiten Nacht in Auschwitz aus dem tiefen Schlaf der Erschöpfung erwachte, geweckt durch – Musik: Der Blockälteste hatte in seiner Kammer, die gleich neben dem Barackeneingang lag, irgendeine Feier veranstaltet, und besoffene Stimmen gröhlten Schlagermelodien. Dann war plötzlich Ruhe – und eine Geige weinte einen unendlich traurigen, selten gespielten, nicht abgedroschenen Tango... Die Geige weinte – in mir weinte etwas mit. Denn an diesem Tage hatte jemand seinen vierundzwanzigsten Geburtstag; dieser Jemand lag in irgendeiner Baracke des Auschwitzer Lagers, also nur ein paar hundert oder ein paar tausend Meter von mir entfernt – und doch unerreichbar; dieser Jemand war meine Frau.

Lagerhumor
     
    Ist es schon erstaunlich genug für den Außenstehenden, daß es im Konzentrationslager so etwas wie Natur- oder Kunsterleben gibt, so mag es noch erstaunlicher klingen, wenn ich sage, daß es dort auch Humor gibt. Freilich: wiederum nur in Ansätzen, und wenn, dann natürlich nur für Sekunden oder Minuten. Auch der Humor ist eine Waffe der Seele im Kampf um ihre Selbsterhaltung. Ist es doch bekannt, daß der Humor wie kaum sonst etwas im menschlichen Dasein geeignet ist, Distanz zu schaffen und sich über die Situation zu stellen, wenn auch nur, wie gesagt, für Sekunden.
    Einen Freund und Kollegen, neben dem ich durch Wochen auf der Baustelle arbeitete, dressierte ich nachgerade auf Humor: Ich schlug ihm einmal vor, uns gegenseitig zu verpflichten, täglich mindestens eine lustige Geschichte zu erfinden, und zwar etwas, das sich dereinst, nach der Befreiung und Rückkehr, ereignen könnte. Er war Chirurg, war Assistent an einer chirurgischen Spitalsabteilung gewesen. So versuchte ich denn einmal, ihn zum Beispiel dadurch zum Lächeln zu bringen, daß ich ihm ausmalte, wie er später, nach seiner Heimkehr und Rückkehr in den früheren Tätigkeitsbereich, die Gewohnheiten seines Lagerlebens nicht mehr ganz würde loswerden können. Hierzu muß vorerst bemerkt werden, daß am Arbeitsplatz, zumal wenn der Bauleiter zur Inspektion herannaht, der Aufseher rechtzeitig das Tempo zu beschleunigen trachtet, indem er mit dem üblichen Ruf: »Bewegung, Bewegung!« die Arbeitenden aneifert. Und nun erzählte ich meinem Kameraden:
    Einmal wirst du wieder im Operationssaal stehen und wirst eine langwierige Magenoperation durchführen; und auf einmal wird der Operationssaaldiener hereinstürmen und mit dem Rufe: »Bewegung, Bewegung!« ankündigen, daß der Primarius, daß »der Chef kommt!« Oft erfanden auch die Kameraden selber derartige drollige Zukunftsträume, indem sie etwa prophezeiten, in Gesellschaft, zum Nachtmahl eingeladen, würden sie sich beim Einschenken der Suppe leicht vergessen können und die Herrin des Hauses – so wie zu Mittag den Capo am Arbeitsplatz – darum anbetteln, daß man ihnen die Suppe »von unten« schöpfe, so daß ein paar Erbsen oder gar eine halbe Kartoffel im Teller schwimmt.
    Stellt der Wille zum Humor, der Versuch, die Dinge irgendwie in witziger Perspektive zu sehen, gleichsam einen Trick dar, dann handelt es sich jeweils um einen Trick so recht im Sinne einer Art Lebenskunst. Die Möglichkeit einer Einstellung im Sinne von Lebenskunst, auch mitten im Lagerleben, ist jedoch dadurch gegeben, daß dieses Lagerleben reich an Kontrasten ist, und die Kontrastwirkungen wiederum haben eine gewisse Relativität allen Leidens zur Voraussetzung. Gleichnishaft könnte man sagen, das Leid des Menschen sei so wie Dinge von gasförmigem Aggregatzustand: so wie eine bestimmte Gasmenge einen Hohlraum, in den sie gepumpt wird, wie groß immer er auch sein mag, auf jeden Fall gleichmäßig und vollständig ausfüllt, genau so füllt das Leid die Seele des Menschen, das menschliche Bewußtsein, auf jeden Fall aus, ob dieses Leid nun groß oder gering ist. Es ergibt sich, daß die »Größe« menschlichen Leids eben

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