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... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition)

... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition)

Titel: ... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor E. Frankl
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von relativem Glück sagen ließ, schon dann, wenn man bloß nicht für dauernd dort eingeteilt war. Einmal geriet ich durch einen unseligen Zufall in eine solche Arbeitsgruppe; ich glaube, wenn nicht ein Fliegeralarm nach zwei Stunden, die der Aufseher mich speziell »in Arbeit« hatte, gezwungen hätte, die Arbeit vorzeitig einzustellen, und nachher nicht eine Umgruppierung der Arbeitskräfte notwendig gewesen wäre – ich wäre wohl sicher damals auf jenem Schlitten ins Lager zurückgebracht worden, auf dem die den Erschöpfungstod sterbenden oder schon toten Kameraden gefahren wurden. Jedenfalls: welche Erlösung es bedeutete, in einer derartigen Situation die Alarmsirene zu hören, kann sich nicht einmal ein Boxer ausmalen, der es erlebt hat, wie ein Gongschlag das Ende einer Runde anzeigt und im letzten Moment noch die Gefahr eines Knockout abwendet.

Glück ist, was einem erspart bleibt
     
    Schon war man dem Geschick dankbar für die kleinsten Schrecken, die es einem ersparte. Man war schon froh, wenn man etwa abends, vor dem Hinlegen, sich entlausen konnte – an sich gewiß kein Vergnügen, da man sich hierzu in der meist ungeheizten Baracke, von deren Dach (innen!) oft die Eiszapfen herabhingen, nackt ausziehen mußte; aber man war froh, wenn es in diesem Fall z.B. keinen Fliegeralarm gab, so daß einen nicht die plötzlich einsetzende Verdunkelung überraschte und daran hinderte, das Entlausungswerk zu vollenden, dessen bloß fragmentarischer Vollzug einen nämlich die halbe Nachtruhe kostete.
    Natürlich stellen alle diese armseligen »Freuden« des Lagerlebens so recht ein Glück im negativen Sinne Schopenhauers dar, nämlich ein Freisein vom Leid, und auch dies, wie wir oben gezeigt haben, nur in höchst relativem Sinne. Positive Freuden, auch geringfügige, gab es für uns nur selten. Ich entsinne mich genau, einmal eine Art Lustbilanz aufgestellt zu haben, als deren Ergebnis sich herausstellte, daß ich durch viele, viele Wochen nur zweimal einen wirklich freudigen Augenblick erlebt hatte. Und dies war dann der Fall gewesen, wenn ich, vom Arbeitsplatz ins Lager zurückgekehrt, nach langem Anstellen vor der Küchenbaracke eingelassen und in jene Kolonne eingeteilt wurde, die zum Häftlingskoch F. dirigiert wurde. Der stand bei einem der großen Kessel und schöpfte daraus die Suppe in die Schüsseln, die ihm von den eilig vorbeidefilierenden Arbeitskameraden hingehalten wurden: aber er, als einziger unter den Köchen, blickte sich dabei nicht nach dem Mann um, der ihm soeben seine Schüssel reichte; er war der einzige Koch, der die Suppe buchstäblich »ohne Ansehen der Person« und gleichmäßig verteilte und nicht seine persönlichen Freunde oder seine Landsleute bevorzugte, indem er ihnen aus der Tiefe des Kessels die Kartoffeln herausfischte, um den andern das leere Suppenwasser »von oben« abzuschöpfen... – Aber es liegt mir nicht, den Stab zu brechen über solche Häftlinge, denen ihre Clique über alles ging; wer will den ersten Stein werfen auf Menschen, die ihre Freunde bevorzugen in einer Situation, in der es über kurz oder lang auf Leben und Tod geht. Keiner dürfte hier den Stein aufheben, bevor er sich nicht in unbedingter Ehrlichkeit selber befragt hat, ob er selber in der gleichen Lage sicher anders gehandelt hätte.
    Lange, nachdem ich wieder ein geordnetes Leben beginnen konnte, also lange nach der Befreiung aus dem Lager, zeigt mir jemand eine Photoreproduktion in einer illustrierten Zeitung, darstellend Häftlinge im Konzentrationslager, die auf ihren Stockbetten zusammengepfercht herumliegen und aus ihren Bettkojen stumpf dem Betrachter entgegenblicken. »Ist das nicht schrecklich, diese entsetzlichen Gesichter, das alles...?« »Wieso?« frage ich – und begreife wirklich nicht. Denn in mir ersteht in diesem Augenblick ein Bild. Fünf Uhr morgens. Draußen ist noch finstere Nacht. Ich liege auf den harten Brettern einer Erdhütte, in der etwa siebzig Kameraden »in Schonung« sind, das heißt, wir sind krankgeschrieben und müssen nicht das Lager verlassen, um zur Arbeit hinauszumarschieren. Wir müssen nicht einmal Appell stehen. Den ganzen Tag dürfen wir auf unserem schmalen Platz in der Baracke herumlungern, dahindösen – und auf die einmal tägliche Ausgabe der für die »Schonungskranken« natürlich reduzierten Brotration und die einmal tägliche Austeilung der für diese Kategorie extra verwässerten und extra kleinen Suppenration warten. Aber wie zufrieden sind

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