Trouble - Ein Jack-Reacher-Roman
auch gehört, Manuel Orozco wolle in der Army bleiben, aber insgesamt war es wenig überraschend, dass er sich die Sache anders überlegt hatte. Beide Männer waren Einzelgänger: hager, zäh, beweglich und reizbar, wenn sie Bockmist witterten.
Neagley sagte: »Dave O’Donnell ist in D.C. Als schlichter Privatdetektiv. Dort gibt’s reichlich Arbeit für ihn.«
»Kann ich mir vorstellen«, meinte Reacher. O’Donnell war der Gewissenhafte gewesen und hatte den gesamten Papierkram der Einheit praktisch im Alleingang bewältigt. Er hatte wie ein Ivy-League-Gentleman ausgesehen, aber immer ein Springmesser in einer Jackentasche und einen Schlagring in der anderen gehabt. Ein nützlicher Kerl, den man gern auf seiner Seite wusste.
Neagley sagte: »Karla Dixon lebt in New York. Ermittelt frei beruflich für Banken und Börsenmakler. Sie versteht offenbar etwas von Geld.«
»Auf Zahlen hat sie sich schon immer verstanden«, entgegnete Reacher. Dixon und er hatten manche freie Stunde damit verbracht, dass sie versuchten, berühmte mathematische Lehrsätze zu beweisen oder zu widerlegen. Ein hoffnungsloses Unterfangen, weil sie beide lausige Amateure waren, aber ein netter Zeitvertreib. Dixon war schwarzhaarig, bildhübsch und zierlich: eine heitere kleine Person, die jedem Menschen das Schlimmste zugetraut und damit unweigerlich in neun von zehn Fällen recht behalten hatte.
Reacher fragte: »Woher weißt du so viel über sie?«
»Ich bemühe mich, sie nicht aus den Augen zu verlieren«, antwortete Neagley. »Sie interessieren mich.«
»Wieso kannst du sie dann nicht erreichen?«
»Keine Ahnung. Ich hab versucht, sie anzurufen, aber keiner ruft zurück.«
»Ist das Ganze also ein Angriff auf uns als Gruppe?«
»Ausgeschlossen«, sagte Neagley. »Ich bin mindestens so sichtbar wie Dixon oder O’Donnell, aber hinter mir ist niemand her.«
»Noch nicht.«
»Vielleicht.«
»Du hast die anderen am selben Tag angerufen, an dem du das Geld auf mein Konto eingezahlt hast?«
Neagley nickte.
»Das ist erst drei Tage her«, sagte Reacher. »Vielleicht sind sie alle beschäftigt.«
»Was hast du also vor? Auf sie warten?«
»Ich will die anderen einfach vergessen. Du und ich können für Franz eintreten. Nur wir beide.«
»Besser wär’s, wenn wir die alte Einheit zusammentrommeln könnten. Wir waren ein gutes Team. Du warst der beste Kommandeur, den die Army je gehabt hat.«
Reacher schwieg.
»Was?«, fragte Neagley. »Woran denkst du?«
»Dass ich weit früher anfangen würde, wenn ich Geschichte neu schreiben wollte.«
Neagley faltete die Hände und ließ sie auf dem schwarzen Ringbuch ruhen. Schlanke Finger, gebräunte Haut, lackierte Fingernägel, Muskelstränge und Sehnen.
»Eine Frage«, sagte sie. »Nehmen wir mal an, ich hätte die anderen erreicht. Nehmen wir mal an, ich hätte mir die Sache mit deiner Bank gespart. Nehmen wir mal an, du würdest in ein paar Jahren erfahren, dass Franz ermordet worden ist – und dass wir sechs ohne dich losgezogen sind und ihn gerächt haben. Wie würdest du dich dann fühlen?«
Reacher zuckte mit den Schultern. Überlegte einen Herzschlag lang.
»Schlecht, vermutlich«, sagte er. »Vielleicht betrogen. Ausgegrenzt.«
Neagley sagte nichts.
Reacher sagte: »Okay, wir versuchen, die anderen zu finden. Aber wir warten nicht ewig.«
Neagley hatte ihren Leihwagen auf dem Parkplatz stehen. Sie bezahlte das Mittagessen, dann gingen sie hinaus. Der Wagen war ein Mustang, ein rotes Cabrio. Sie stiegen ein, und Neagley drückte auf den Knopf, der das elektrische Verdeck öffnete. Sie nahm eine Sonnenbrille vom Armaturenbrett und setzte sie auf. Stieß rückwärts aus der Parklücke und bog an der nächsten Ampel vom Sunset nach Süden ab. Fuhr in Richtung Beverly Hills weiter. Reacher saß schweigend neben ihr und kniff in der Nachmittagssonne die Augen zusammen.
Dreißig Meter westlich des Restaurants beobachtete ein Mann namens Thomas Brant aus einem beigen Ford Crown Victoria, wie sie wegfuhren. Er benutzte sein Handy, um seinen Boss – einen Mann namens Curtis Mauney – anzurufen. Da Mauney sich nicht selbst meldete, sprach Brant auf seinen Anrufbeantworter.
Er sagte: »Sie hat gerade den Ersten von ihnen aufgelesen.«
Fünf Wagen hinter Brants Crown Victoria parkte ein dunkelblauer viertüriger Chrysler mit einem Mann in einem dunkelblauen Anzug am Steuer. Auch er beobachtete, wie der rote Mustang im Dunst verschwand, und auch er benutzte ein Handy.
Er sagte:
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