Trouble - Ein Jack-Reacher-Roman
Blick wäre Stan Lowrey bestimmt kein Kandidat für eine ländliche Idylle gewesen. Er war ein grobknochiger schwarzer Kerl aus irgendeiner heruntergekommenen Fabrikstadt in Western Pennsylvania gewesen: blitzgescheit und eisenhart. Dunkle Gassen und Spielsalons schienen sein natürlicher Lebensraum gewesen zu sein. Aber irgendwo in seiner DNA hatte eine starke Bindung zur Erde gesteckt. Dass er Farmer geworden war, überraschte Reacher nicht. Er konnte ihn sich in einer abgetragenen alten Lammfelljacke vorstellen: bis zu den Knien in Präriegras stehend, unter einem weiten blauen Himmel frierend, aber glücklich.
»Wieso können wir die anderen nicht erreichen?«, fragte er.
»Keine Ahnung«, sagte Neagley.
»Woran hat Franz gearbeitet?«
»Das scheint niemand zu wissen.«
»Hat seine neue Frau nichts erzählt?«
»Sie ist nicht neu. Die beiden waren fünf Jahre lang verheiratet.«
»Für mich ist sie neu«, meinte Reacher.
»Ich konnte sie nicht direkt verhören. Sie war am Telefon, hat mir erzählt, dass ihr Mann tot ist. Und vielleicht weiß sie ohnehin nichts.«
»Wir müssen sie persönlich befragen. Sie ist hier der offensichtliche Ausgangspunkt.
»Sobald wir’s noch mal mit den anderen versucht haben«, sagte Neagley.
Reacher griff nach den fünf Blättern, gab Neagley drei davon und behielt selbst zwei. Sie benutzte ihr Handy, er das Zimmertelefon auf einem Sideboard. Sie begannen zu wählen. Seine Nummern gehörten zu Dixon und O’Donnell. Karla und Dave, die in New York und D.C. an der Ostküste wohnten. Keiner der beiden meldete sich. Stattdessen erreichte er ihre Anrufbeantworter und hörte ihre längst vergessenen Stimmen. Er hinterließ beiden dieselbe Nachricht: »Hier ist Jack Reacher mit einem Zehn-dreißig von Frances Neagley im Hotel Beverly Wilshire in Los Angeles, Kalifornien. Seht zu, dass ihr euren Arsch hochkriegt und sie anruft.« Dann legte er auf und sah zu Neagley hinüber, die auf und ab marschierend die gleiche Nachricht für Tony Swan hinterließ.
»Hast du nicht auch ihre Privatnummern?«, fragte er.
»Sie stehen allesamt nicht im Telefonbuch. Was zu erwarten war. Ich bin auch nicht drin. Mein Kerl in Chicago arbeitet daran. Aber das ist heutzutage nicht einfach. Die Computer von Telefongesellschaften sind erheblich sicherer geworden.«
»Bestimmt hat jeder ein Handy«, sagte er. »Hat heutzutage nicht jeder eines?«
»Deren Nummern weiß ich auch nicht.«
»Aber selbst wenn sie unterwegs sind, können sie ihren Anrufbeantworter im Büro doch telefonisch abfragen?«
»Problemlos.«
»Weshalb haben sie’s dann nicht getan? Drei volle Tage lang?«
»Keine Ahnung«, antwortete Neagley.
»Swan muss eine Sekretärin haben. Er ist stellvertretender Direktor für irgendwas. Er muss über einen ganzen Stab verfügen.«
»Es heißt nur, er sei vorübergehend nicht im Büro.«
»Lass mich mal versuchen.« Neagley sagte ihm Swans Nummer, und er drückte die Neun, um eine Amtsleitung zu bekommen. Wählte. Hörte, wie die Verbindung zustande kam, hörte Swans Telefon am anderen Ende klingeln.
Und endlos weiterklingeln.
»Dort meldet sich niemand«, sagte er.
»Vor einer Minute schon«, sagte Neagley. »Dies ist seine Direktdurchwahl.«
Keine Antwort. Er ließ das Telefon am Ohr und horchte auf das geduldige elektronische Klingeln. Zehnmal, fünfzehnmal, zwanzigmal. Dreißigmal. Dann legte er auf. Kontrollierte die Nummer und versuchte es nochmals. Mit dem gleichen Ergebnis.
»Verrückt«, sagte Reacher. »Wo, zum Teufel steckt er?«
Er kontrollierte erneut den Vordruck. Name und Rufnummer. Die Adresszeile war leer.
»Wo ist diese Firma?«
»Weiß ich nicht genau.«
»Hat sie einen Namen?«
»New Age Defense Systems. So haben sie sich bisher gemeldet.«
»Was für ein Name ist das denn für eine Waffenschmiede? Ob sie einen durch Freundlichkeit erledigen? Vielleicht spielen sie Panflöte, bis man ihnen die Mühe abnimmt und sich selbst die Pulsadern aufschneidet?« Er rief die Auskunft an, die ihm mitteilte, dass es unter New Age Defense Systems in ganz Amerika keinen Eintrag gebe. Er legte auf.
»Können auch Firmen nicht im Telefonbuch stehen?«, fragte er.
Neagley entgegnete: »Ich denke schon. Vor allem in der Verteidigungsbranche. Und sie ist neu.«
»Wir müssen sie finden. Sie haben doch bestimmt irgendwo eine Produktionsstätte. Oder wenigstens ein Büro, damit Onkel Sam ihnen Schecks schicken kann.«
»Okay, das kommt mit auf unsere Liste. Nach dem
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