Trouble - Ein Jack-Reacher-Roman
Besuch bei Mrs. Franz.«
»Nein, vorher«, sagte Reacher. »Büros machen irgendwann Schluss. Witwen sind immer zu Hause.«
Also rief Neagley ihren Kerl in Chicago an und gab ihm den Auftrag, den Firmensitz von New Age Defense Systems herauszubekommen. So viel Reacher aus nur einer Hälfte des Gesprächs mitbekam, schien es am aussichtsreichsten zu sein, sich in den FedEx-Computer einzuhacken, oder in den von UPS oder DHL . Jede Firma bekam Pakete, und Kurierfahrer brauchten Adressen. Sie konnten nicht an Postfächer zustellen. Sie mussten die Sendungen leibhaftigen Menschen aushändigen und sich den Empfang quittieren lassen.
»Er soll auch die Handynummern besorgen«, warf Reacher ein. »Die der anderen.«
Neagley hielt die Sprechmuschel zu. »Daran arbeitet er seit drei Tagen. Das ist nicht einfach.« Dann legte sie auf, trat ans Fenster, blickte hinaus und auf die Leute hinunter, die ihre Wagen parkten.
»Jetzt warten wir also«, sagte sie.
Sie mussten keine zwanzig Minuten warten, dann meldete eines der Notebooks mit einem Klingelton den Eingang einer E-Mail aus Chicago.
10
Die E-Mail von Neagleys Mann in Chicago enthielt die freundlicherweise von UPS zur Verfügung gestellte Adresse von New Age. Tatsächlich sogar zwei Adressen. Eine in Colorado, eine in L.A.
»Nur vernünftig«, meinte Neagley. »Räumlich verteilte Produktion. Das ist sicherer. Im Fall eines Angriffs.«
»Bockmist«, sagte Reacher. »Hier geht’s um unterschiedliche Senatoren. Um zwei Futtertröge. Republikaner dort oben, Demokraten hier unten, so haben sie auf jeden Fall ihre Schnauze im Trog.«
»Swan wäre nicht dort hingegangen, wenn sie auf nichts anderes aus wären.«
Reacher nickte. »Vermutlich nicht.«
Neagley breitete einen Stadtplan aus, und sie fanden die Adresse in East L.A. Die Route dorthin führte am Echo Park und dem Dodger-Stadion vorbei in das Niemandsland zwischen South Pasadena und dem eigentlichen East L.A.
»Das ist weit«, sagte Neagley. »Die Fahrt kann ewig dauern. Der Stoßverkehr hat eingesetzt.«
»Schon?«
»Der Stoßverkehr in L.A. hat vor dreißig Jahren begonnen. Er kommt erst zum Erliegen, wenn das Öl alle ist. Oder der Sauerstoff. Aber jedenfalls schaffen wir’s nicht bis dorthin, bevor sie zumachen. Also wär’s vielleicht besser, sich New Age für morgen aufzuheben und heute Mrs. Franz aufzusuchen.«
»Was du von Anfang an wolltest. Du spielst auf mir wie auf einer Violine.«
»Sie ist näher, das ist alles. Und wichtig.«
»Wo wohnt sie?«
»Santa Monica.«
»Franz hat in Santa Monica gelebt?«
»Nicht am Meer. Aber ich wette trotzdem, dass sein Haus hübsch ist.«
Es war hübsch. Viel hübscher, als es hätte sein können. Es war ein kleiner Bungalow in einer kleinen Straße auf halber Strecke zwischen dem Freeway 10 und dem Flughafen Santa Monica, ungefähr drei Kilometer vom Strand entfernt. Nicht gerade eine erstklassige Lage, aber das Haus präsentierte sich sehr gepflegt. Neagley fuhr auf der Suche nach einem Parkplatz zweimal daran vorbei. Es war ein winziges symmetrisches Bauwerk. Nach vorn hinaus zwei Panoramafenster mit der Haustür dazwischen. Ein weit überstehendes Dach, darunter eine Terrasse, auf der zwei Schaukelstühle standen. Reichlich Naturstein, Balken im Tudorstil, dazu Bauhaus-Einflüsse, etwas Frank Lloyd Wright, spanische Fliesen. Ein wahres Durcheinander aus Baustilen in einem sehr kleinen Haus, aber die Gesamtwirkung war gut. Es hatte viel Charme. Der Anstrich war perfekt. Er glänzte. Die Fenster waren geputzt. Sie blitzten. Dazu ein Bilderbuchgarten. Sattgrüner Rasen, ordentlich gemäht. Leuchtende Blumen, kein Unkraut. Eine kurze asphaltierte Einfahrt, glatt wie Glas und sauber abgekehrt. Calvin Franz war ein manchmal pedantischer Perfektionist gewesen, und Reacher glaubte, in dieser kleinen Immobilie einen Ausdruck der gesamten Persönlichkeit seines alten Freundes zu erkennen.
Auf ihrer zweiten Runde fuhr eine hübsche junge Frau mit einem Toyota Camry vor ihnen vom Straßenrand weg, und Neagley parkte den Mustang sofort in der frei gewordenen Lücke. Sie schloss den Wagen ab, dann gingen sie den Weg zurück. Auch am Spätnachmittag war es noch ziemlich warm. Reacher konnte das Meer riechen.
Er fragte: »Wie viele Witwen haben wir schon aufgesucht?«
»Zu viele«, sagte Neagley.
»Wo wohnst du?«
»Lake Forest, Illinois.«
»Davon habe ich schon gehört. Dort soll’s hübsch sein.«
»Das ist es.«
»Glückwunsch.«
»Ich hab schwer
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