Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Trouble - Ein Jack-Reacher-Roman

Titel: Trouble - Ein Jack-Reacher-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
dafür geschuftet.«
    Sie bogen auf Franz’ Straße, dann in seine Einfahrt ab. Auf dem Plattenweg zur Haustür zögerten sie unwillkürlich einen Moment. Reacher wusste nicht genau, was sie hier erwartete. In der Vergangenheit hatte er immer mit Frauen zu tun gehabt, die nicht schon seit siebzehn Tagen verwitwet waren. Sehr oft wussten sie gar nicht, dass sie Witwen waren, bis sie’s von ihm erfuhren. Er hatte keine rechte Vorstellung davon, welchen Unterschied diese siebzehn Tage machen würden oder in welchem Trauerstadium sie sich befinden mochte.
    »Wie heißt sie?«, fragte er.
    »Angela«, sagte Neagley.
    »Okay.«
    »Der Junge heißt Charlie.«
    »Okay.«
    »Vier Jahre alt.«
    »Okay.«
    Sie stiegen zu der kleinen Veranda hinauf. Neagley fand den Klingelknopf und legte eine Fingerspitze darauf: sanft, kurz, respektvoll. Reacher hörte ein gedämpftes Klingeln im Innern des Hauses, dann nichts mehr. Sie warteten. Ungefähr anderthalb Minuten später wurde die Haustür geöffnet. Scheinbar von Geisterhand. Dann blickte Reacher nach unten und sah einen kleinen Jungen, der sich nach der Klinke streckte. Die Türklinke war hoch angebracht, und der Junge musste sich so sehr strecken, dass der Bogen, den das Türblatt beschrieb, ihn fast von den Füßen holte.
    »Du musst Charlie sein«, sagte Reacher.
    »Der bin ich«, entgegnete der Junge.
    »Ich war mit deinem Dad befreundet.«
    »Mein Dad ist tot.«
    »Ja, ich weiß. Ich bin deswegen sehr traurig.«
    »Ich auch.«
    »Ist’s okay, dass du die Tür ganz allein aufmachst?«
    »Ja«, sagte der Junge. »Das ist okay.«
    Er sah genau wie Calvin Franz aus. Die Ähnlichkeit war frappierend. Das gleiche Gesicht. Der gleiche Körperbau. Die kurzen Beine, die tiefe Taille, die langen Arme. Obwohl seine Schultern unter dem Kinder-T-Shirt nur aus Haut und Knochen bestanden, ließen sie irgendwie schon die affenähnlichen Muskelpakete ahnen, die sie später tragen würden. Und er hatte genau Franz’ dunkle Augen, seinen coolen, gelassenen, beruhigenden Blick. Als sagte der Junge: Keine Sorge, alles wird sicher gut.
    Neagley fragte ihn: »Charlie, ist deine Mama zu Hause?«
    Der Junge nickte.
    »Sie ist hinten«, sagte er. Dann ließ er die Klinke los und trat zur Seite, um sie eintreten zu lassen. Neagley ging voraus. Das Haus war zu klein, als dass irgendein Teil davon wirklich »hinten« hätte sein können. Es bestand eigentlich nur aus einem großzügigen Raum, der vierfach unterteilt worden war. Rechts zwei kleine Schlafzimmer mit einem Bad dazwischen, vermutete Reacher. Ein kleines Wohnzimmer in der vorderen linken Ecke, daran anschließend die Küche. Das war alles. Winzig, aber schön. Alles in Pastellweiß und Blassgelb gehalten. In Vasen standen frische Blumen. Die Fenster wurden von weißen Holzläden mit Lamellen beschattet. Die Fußböden bestanden aus dunklem Holz. Als Reacher die Haustür hinter ihnen schloss, wurde der Verkehrslärm ausgesperrt, sodass sich Stille auf das Haus senkte. Früher wohl ein gutes Gefühl, dachte er. Jetzt vielleicht nicht mehr so gut.
    Eine Frau trat aus dem Küchenbereich, kam hinter einer halbhohen Trennwand hervor, die so kurz war, dass sie kein zufälliges Versteck sein konnte. Reacher hatte das Gefühl, sie habe absichtlich dahinter Zuflucht gesucht, als sie die Klingel hörte. Sie schien viel jünger zu sein als er. Etwas jünger als Neagley.
    Auch jünger als Franz.
    Sie war ziemlich groß und sehr schlank, hatte hellblonde Haare und die blauen Augen einer Skandinavierin. Ihr dünner Pullover mit V-Ausschnitt ließ deutlich hervortretende Schlüsselbeine sehen. Sie war sorgfältig geschminkt und frisiert und wirkte völlig gefasst, aber nicht entspannt. In ihren Augen konnte Reacher Verwirrung erkennen, als trüge sie unter ihrer glatten Haut eine Maske aus Angst.
    Einige Sekunden lang herrschte verlegenes Schweigen, dann trat Neagley vor und sagte: »Angela? Ich bin Frances Neagley. Wir haben miteinander telefoniert.«
    Angela Franz lächelte automatisch und streckte ihr die Hand entgegen. Neagley ergriff sie und drückte sie kurz; dann war Reacher an der Reihe. Er sagte: »Ich bin Jack Reacher. Mein herzliches Beileid zu Ihrem Verlust.« Er schüttelte ihr die Hand, die sich in seiner Pranke kalt und zerbrechlich anfühlte.
    »Ihr Beileid haben Sie schon öfter ausgedrückt«, sagte sie. »Nicht wahr?«
    »Ja, leider«, antwortete Reacher.
    »Sie stehen auf Calvins Liste«, sagte sie. »Sie waren ein MP, genau wie

Weitere Kostenlose Bücher