Trouble - Ein Jack-Reacher-Roman
Gegen ein Auto würde es klein wirken, gegen mehr als ein Auto winzig. Bei Dunkelheit wirkte es sicher. Von Xenonscheinwerfern ausgeleuchtet würde es wie ein Goldfischglas erscheinen. Er stellte sich vor, wie Autos über das unebene Gelände holperten, wie er in ihrem Scheinwerferlicht gefangen war, nach links flitzte, nach rechts flitzte, sich die Augen mit einer Hand abschirmte, während ein Wagen ihn jagte und zwei andere ihm den Weg abschnitten.
Er sah zum Zaun hinüber.
»Korrekt«, sagte Neagley. »Der Zaun hält uns hier gefangen, wie er uns zuvor abgehalten hat. Wir sind zwei Kugeln auf einem Billardtisch, und gleich wird jemand das Licht einschalten und nach einem Queue greifen.«
»Was werden sie tun, wenn sie uns nicht finden?«
»Wie sollen sie uns nicht finden können?«
»Nimm’s mal an.«
Neagley zuckte mit den Schultern und sagte: »Sie werden annehmen, wir seien irgendwie rausgekommen.«
»Und dann?«
»Sie werden in Panik geraten.«
»Wie?«
»Sie werden Karla und Dave umlegen und sich verkriechen.«
Reacher nickte.
»Genau das vermute ich auch«, sagte er.
Er stand auf und rannte los. Neagley folgte ihm.
76
Reacher hielt geradewegs auf den Hubschrauber zu. Er stand sechzig Meter entfernt, groß und weiß und im Widerschein der Großstadtlichter schimmernd. Neagley lief geduldig neben ihm her. Reacher war kein Sprinter, er war schwer und langsam. Und er hatte die Taschen voller Krempel. Jeder Collegesportler hätte die sechzig Meter in sieben oder acht Sekunden zurückgelegt. Neagley hätte sie in neun Sekunden geschafft. Reacher brauchte eher fünfzehn. Aber er kam schließlich doch an. Er erreichte die Maschine in dem Augenblick, in dem die Tür des Hauptgebäudes aufflog und Licht und Männer ins Freie entließ. Er schlug einen Haken nach links und behielt den Hubschrauber zwischen sich und ihnen. Neagley blieb dicht an seiner Seite. Drei Männer rannten zum Parkplatz hinüber. Parker und Lennox. Und Lamaison. Sie hatten es verdammt eilig. Für jeden Meter, den sie zurücklegten, bewegten Reacher und Neagley sich im Uhrzeigersinn eine Handbreit um den Hubschrauber herum, berührten seinen Rumpf leicht mit den Fingerspitzen und benützten seine Masse als Deckung. Er war kalt und wie ein auf der Straße geparkter Wagen mit Tau bedeckt. Er fühlte sich glitschig an und roch nach Öl und Kerosin.
Dreißig Meter von ihnen entfernt sprangen drei Chryslermotoren an. Drei V-8-Motoren, die aufröhrten, drei Scheinwerferpaare, die aufleuchteten. In der Dunkelheit wirkten sie unglaublich grell. Scharf, eng gebündelt, klar definiert und superweiß. Dann wurden sie noch greller. Ein Fahrer nach dem anderen schaltete sein Fernlicht ein. Riesige weiße Lichtkegel schwankten und hüpften, als die Wagen sich in Bewegung setzten. Reacher und Neagley glitten um den langen Bug der Bell 222 herum und drängten sich an die andere Rumpfseite. Die Autos strebten wie eine berstende Granate auseinander, beschleunigten und rasten in willkürlich wechselnden Richtungen davon.
Binnen zehn Sekunden hatten sie die vier Toten entdeckt.
Die Wagen kamen schleudernd an zwei fünfzig Meter voneinander entfernten Punkten zum Stehen. Ihre Scheinwerfer kamen zur Ruhe und ließen die vier unbeweglichen Gestalten grotesk lange Schatten werfen. In der Ferne rannten drei Gestalten herum, die von extremer Helligkeit abrupt in völliges Dunkel tauchten, wenn sie aus dem Scheinwerferlicht traten.
»Hier können wir nicht bleiben«, meinte Neagley. »Sie werden kommen und uns anstrahlen, als stünden wir in der Hollywood Bowl auf der Bühne.«
»Wie viel Zeit bleibt uns?«
»Sie werden den Zaun ziemlich genau kontrollieren. Ungefähr vier Minuten.«
»Fang zu zählen an«, sagte Reacher. Er stieß sich vom Rumpf des Hubschraubers ab und rannte zum Hauptgebäude hinüber. Vierzig Meter, zehn Sekunden. Die Eingangstür stand offen. Auch das Licht brannte. Reacher blieb kurz stehen. Dann ging er geradewegs hinein, sehr leise, mit der Rechten an der Glock in seiner Tasche. Drinnen war niemand zu sehen. Das Gebäude schien menschenleer zu sein. Rechts gab es eine Reihe kleiner Einzelbüros, und links lag der offene Produktionsbereich hinter einer raumhohen Glastrennwand. Dort gab es hell beleuchtete Arbeitsplätze, komplexe Absaugvorrichtungen, die zur Decke hinaufführten, und einen geerdeten Metallgitterboden gegen statische Aufladung. Die Schiebetür in der Trennwand stand offen. Die herausströmende Luft roch nach
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