Trucks. Erzählungen
schmalen Sims sie schon gar nicht beunruhigen. Als ich mich weiterschob, wich sie nur ein wenig zurück, und ihre hellen Augen sahen mich dabei unverwandt an. Nur dann nicht, wenn ihr scharfer Schnabel wieder in mein Fußgelenk fuhr. Und der Schmerz wurde immer intensiver. Der Schnabel hackte in rohes Fleisch.
Vielleicht fraß der Vogel es sogar.
Ich stieß mit dem rechten Fuß nach ihr. Es war ein schwacher Tritt. Ich konnte mir keinen kräftigeren erlauben. Die Taube flatterte nur kurz hoch und griff wieder an. Und ich wäre fast aus der Wand gesegelt. Immer wieder hackte die Taube auf mich ein. Ein kalter Windstoß traf mich, und ich hatte alle Mühe, nicht aus dem Gleichgewicht zu kommen. Meine Fingerkuppen strichen über den Stein. Schwer atmend und die Wange gegen die Wand gepreßt, fand ich wieder Halt.
Cressner hätte sich keine schlimmere Tortur ausdenken können, und wenn er es zehn Jahre lang geplant hätte. Ein Schnabelhieb war nicht so schlimm. Zwei oder drei waren zu ertragen. Aber dieser verdammte Vogel mußte mindestens sechzigmal auf mich eingehackt haben, bevor ich das Gitter des Balkons erreichte, der Cressners Wohnung gegenüber lag.
Dieses Gitter zu erreichen, bedeutete, die Himmelspforte zu erreichen. Meine Hände klammerten sich um die kalten Stäbe, als wollten sie sie nie mehr loslassen.
Wieder ein Picken.
Die Taube starrte mich fast selbstgefällig mit ihren hellen Augen an, von meiner Ohnmacht und ihrer eigenen Unverletzlichkeit überzeugt. Es erinnerte mich an Cressners Gesichtsausdruck, als er mich auf der anderen Seite auf den Balkon hinausführte.
Ich packte die Stäbe fester. Dann traf ich die Taube mit einem harten Tritt. Sie stieß zu meiner Befriedigung einen lauten Schrei aus. Ein paar taubengraue Federn sanken auf den Vorsprung oder verschwanden langsam in der Dunkelheit.
Ächzend kroch ich auf den Balkon und brach zusammen. Trotz der Kälte floß mir der Schweiß in Strömen. Ich weiß nicht, wie lange ich dort lag. Die Uhr der Bank lag hinter dem Gebäude, und ich trage keine Uhr.
Ich setzte mich auf, bevor mir die Muskeln steif wurden, und schob vorsichtig die Socke runter. Der rechte Knöchel war zerhackt und blutete, aber die Verletzung schien nur oberflächlich. Wenn ich dies überleben sollte, würde ich sie aber dennoch behandeln lassen müssen. Zuerst dachte ich daran, die Wunde zu verbinden, aber ich ließ es. Ich könnte über einen gelockerten Verband stolpern. Zum Verbinden war später Zeit. Ich würde für zwanzigtausend Dollar Verbandszeug kaufen können.
Ich stand auf und sah sehnsüchtig in die dunkle Penthouse-Wohnung, die Cressners gegenüberlag. Kahl, leer und unbewohnt. Der schwere Windschutz war vor der Tür angebracht. Ich hätte mir gewaltsam Zugang verschaffen können, aber damit hätte ich die Wette verloren. Und ich hatte mehr zu verlieren als Geld.
Als ich es nicht länger aufschieben konnte, glitt ich über das Geländer auf den Mauervorsprung zurück. Die Taube, um ein paar Federn erleichtert, stand unter dem Nest, wo der Dreck am dichtesten lag, und sah mich böse an. Aber wenn sie sah, daß ich mich vom Nest fortbewegte, würde sie mich wohl nicht mehr belästigen.
Ich entfernte mich ungern vom Balkon - es fiehl mir viel schwerer, als von Cressners Balkon zu steigen. Mein Verstand wußte, daß ich es tun mußte, aber mein Körper, besonders meine Fußgelenke, schrien mir zu, daß es närrisch sei, den sicheren Hafen zu verlassen. Aber ich schob mich weiter. In der Dunkelheit sah ich Marcias Gesicht, und das trieb mich an.
Ich erreichte die zweite kurze Seite und schaffte auch die nächste Ecke. Langsam tastete ich mich auf dem Vorsprung vorwärts. Dem Ziel so nahe, verspürte ich einen fast unbezähmbaren Drang, mich zu beeilen, es hinter mich zu bringen. Aber wenn ich mich beeilte, wäre das mein sicherer Tod. Ich zwang mich mit aller Gewalt zur Ruhe.
An der vierten Ecke erwischte mich wieder der Seitenwind, und es war eher Glück als Geschicklichkeit, daß ich es schaffte. Ich lehnte mich gegen die Wand und schöpfte Atem. Zum ersten Mal war mir jetzt klar, daß ich die Wette gewinnen würde. Meine Hände fühlten sich wie halbgefrorene Steaks an, und meine Fußgelenke brannten wie Feuer, besonders das rechte, von der Taube malträtierte. Schweiß lief mir in die Augen, aber ich wußte, daß ich es schaffen würde. Auf halber Länge der Gebäudefront drang warmes gelbes Licht auf den Balkon hinaus. Weit hinten sah ich die
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