Trübe Wasser sind kalt
roch die englische Seife, die ich in ihr Badezimmer gelegt hatte. Ich spürte Lucys Stärke und Spannkraft und fühlte mich alt. »Wenn ich dich sehe, fühle ich mich ganz scheußlich.« Ich drehte mich auf den Rücken und verschränkte die Hände hinter dem Kopf.
»Warum sagst du so etwas?« Sie trug einen meiner weiten Flanellpyjamas und sah verdutzt drein.
»Weil ich glaube, daß ich nicht mal mehr die Yellow Brick Road ' schaffen würde.« Das war der Hinderniskurs in Quantico. »Ich habe noch nie gehört, daß jemand sie leicht genannt hätte.«
»Für dich ist sie es aber.«
Sie zögerte. »Na ja, inzwischen schon. Aber du mußt ja nicht beim HRT Dienst schieben.«
»Dafür bin ich dankbar.«
Sie schwieg kurz und fügte dann mit einem Seufzer hinzu: »Weißt du, zuerst war ich sauer, als die Academy beschlossen hat, mich für einen Monat wieder auf die UVA zu schicken. Aber schließlich könnte es eine Erholung sein. Ich kann im Labor arbeiten, Fahrrad fahren und auf dem Campus joggen wie ein normaler Mensch.«
Lucy war kein normaler Mensch und würde es nie sein. Ich hatte irgendwann beschlossen, daß Individuen mit einem IQ der so hoch war wie ihrer, sich leider in vieler Hinsicht genauso sehr von anderen unterschieden wie geistig Behinderte. Sie sah aus dem Fenster, und der Schnee wurde hell. Ihr Haar leuchtete im scheuen Morgenlicht rosagold, und ich war erstaunt, daß eine so schöne Person mit mir verwandt sein konnte. »Es mag eine Befreiung sein, gerade jetzt nicht in Quantico zu sein.« Sie hielt inne, ihr Gesicht war sehr ernst, als sie sich mir wieder zuwandte. »Tante Kay, da ist etwas, das ich dir sagen muß. Ich bin nicht sicher, ob du das wirklich gern hören willst. Oder vielleicht wäre es für dich leichter, wenn du es nicht hörst. Ich hätte es dir gestern gesagt, wenn Marino nicht dagewesen wäre.«
»Ich höre.« Sofort fühlte ich mich angespannt. Sie schwieg wieder kurz. »Besonders, da du Wesley heute triffst, glaube ich, du mußt es wissen. Es geht das Gerücht im FBI, daß er und Connie sich getrennt haben.« Ich wußte nicht, was ich sagen sollte.
»Ob es stimmt, kann ich freilich nicht sagen«, fuhr sie fort. »Aber ich habe so einiges gehört. Und etwas davon betrifft auch dich.«
»Warum sollten irgendwelche Gerüchte mich betreffen?« sagte ich ein wenig zu rasch.
»Ach, komm.« Unsere Blicke begegneten sich. »Es hat schon Vermutungen gegeben, seit du angefangen hast, so viele Fälle mit ihm zu bearbeiten. Einige Agenten denken, daß du nur deshalb zugestimmt hast, als Beraterin tätig zu sein. Damit du bei ihm sein, mit ihm reisen konntest, weißt du.«
»Das ist ganz offensichtlich die Unwahrheit«, sagte ich erbost, während ich mich aufsetzte. »Ich habe zugesagt, als beratende forensische Pathologin zu arbeiten, weil der Direktor Benton gefragt hat, der mich wiederum gebeten hat, nicht umgekehrt. Ich assistiere bei Fällen, ich tue dem FBI einen Gefallen, und…«
»Tante Kay«, unterbrach sie mich. »Du brauchst dich nicht zu verteidigen.«
Aber ich wollte mich nicht besänftigen lassen. »Das ist absolut ungeheuerlich, wenn das jemand sagt. Ich habe nie zugelassen, daß eine Freundschaft meine berufliche Integrität beeinträchtigt.«
Lucy blieb still, sprach dann aber wieder. »Wir reden hier nicht von bloßer Freundschaft.«
»Benton und ich sind sehr gute Freunde.«
»Ihr seid mehr als befreundet.«
»Im Augenblick nicht. Und das geht dich auch nichts an.« Sie stand ungeduldig vom Bett auf. »Du hast kein Recht, auf mich böse zu werden.«
Sie schaute mich an, aber ich konnte nicht sprechen, weil ich den Tränen nahe war. »Ich habe doch nichts anderes getan, als dir zu erzählen, was ich gehört habe, damit du es nicht am Ende von jemand anderem hörst«, sagte sie.
Ich sagte immer noch nichts, und sie wollte gehen. Ich griff nach ihrer Hand. »Ich bin nicht böse auf dich. Bitte versuch zu verstehen. Ich kann es nicht verhindern, daß ich darauf reagiere, wenn ich so etwas höre. Ich bin mir sicher, dir ginge es genauso.«
Sie entzog sich mir. »Wie kommst du darauf, daß ich nicht reagiert habe, als ich es hörte?«
Ich sah frustriert zu, wie sie aus dem Zimmer stolzierte, und hielt sie für den schwierigsten Menschen, den ich kannte. Unser ganzes Leben lang hatten wir miteinander gekämpft. Sie gab nie nach, bis ich nicht so lange gelitten hatte, wie sie es für richtig hielt, und sie mitbekam, wie sehr sie mir am Herzen lag. Es war so
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