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Trübe Wasser sind kalt

Trübe Wasser sind kalt

Titel: Trübe Wasser sind kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Vergehen, und wir wußten, daß die örtliche Polizei unseren Fall nicht allzu begeistert bearbeiten würde. Da wir für das Abnehmen von Abgüssen nicht ausgerüstet waren, machten wir einfach maßstabsgerechte Fotos von den Fußspuren um unsere Autos, obwohl ich den Verdacht hatte, im besten Fall ließe sich daraus nur schließen, daß der Verdächtige groß war und einen handelsüblichen Stiefel oder Schuh mit einem Vibram-Zeichen im Spann der profilstarken Sohle trug. Als am späten Vormittag ein jugendlicher Polizist namens Sanders und ein roter Abschleppwagen eintrafen, nahm ich zwei ruinierte Gürtelreifen und schloß sie in den Kofferraum von Marinos Wagen. Eine Zeitlang sah ich den Männern in Arbeitsoveralls und Daunenjacken zu, die in verblüffendem Tempo Seilwinden abspulten, während die Vorderfront des Ford hoch in die Luft gehoben wurde, als würde Marinos Auto gleich losfliegen. Officer Sanders von der Virginia Beach-Polizei fragte mich, ob meine Stellung als Chief Medical Examiner etwas damit zu tun haben könne, was unseren Fahrzeugen angetan worden war. Ich sagte ihm, daß ich das nicht glaubte. »Hier wohnt mein Stellvertreter«, erklärte ich. »Dr. Philip Mant. Er ist für etwa einen Monat in London. Ich vertrete ihn nur.«
    »Und es weiß niemand, daß Sie hier sind?« fragte Sanders, der nicht auf den Kopf gefallen war.
    »Sicher wissen das einige Leute. Ich hab seine Anrufe entgegengenommen.«
    »Also meinen Sie nicht, daß dies mit Ihrer Person oder Ihrer Tätigkeit zu tun hat, Ma'am.« Er machte sich Notizen. »Momentan habe ich keinen Beweis für eine solche Verbindung«, erwiderte ich. »Tatsächlich können wir noch gar nicht sagen, ob der Täter nicht einfach ein Jugendlicher war, der in der Silvesternacht Dampf abgelassen hat.«
    Sanders schaute immer wieder zu Lucy, die neben unseren Autos mit Marino sprach. »Wer ist sie?« fragte er.
    »Meine Nichte. Sie ist beim FBI«, antwortete ich un d buchstabierte ihren Namen. Während er mit ihr sprach, machte ich einen letzten Ausflug ins Haus. Die Luft war vom Sonnenlicht erwärmt, das durch die Scheiben blitzte, die Möbel fahl erscheinen ließ, und ich konnte immer noch den Knoblauch von unserem nächtlichen Mahl riechen. In meinem Schlafzimmer schaute ich mich noch einmal um, öffnete Schubladen und kramte in den im Schrank hängenden Kleidern herum. Die Entzauberung betrübte mich. Anfangs hatte ich gedacht, mir würde es hier gefallen. Ich überprüfte das Zimmer am Ende des Flurs, wo Lucy geschlafen hatte, ging dann weiter ins Wohnzimmer, wo wir bis in den frühen Morgen gesessen und das Book of Hand gelesen hatten. Die Erinnerung daran verstörte mich wie mein Traum, und ich bekam eine Gänsehaut auf den Armen. Die Angst steckte mir in den Knochen, und auf einmal konnte ich keinen Augenblick länger in der schlichten Wohnung meines Kollegen bleiben. Ich rannte zu der abgeschirmten Veranda und durch die Hintertür in den Garten. Im Sonnenlicht fühlte ich mich wieder sicher, und als ich zum Meer blickte, weckte die Mauer nochmals mein Interesse. Der Schnee drang mir bis an die Stiefelschäfte, als ich darauf zuging. Die Fußabdrücke waren verschwunden. Der Eindringling, dessen Taschenlampe Lucy gesehen hatte, war über die Mauer geklettert und dann schnell abgehauen. Aber er mußte später wieder aufgetaucht sein, oder vielleicht war es auch ein anderer, weil die Spuren um unsere Autos eindeutig erst entstanden waren, nachdem es aufgehört hatte zu schneien, und sie stammten nicht von Taucherstiefeln oder Surferschuhen. Ich schaute über die Mauer zu dem breiten Strand hinter der Düne. Schnee war wie Zuckerwatte aufgehäuft, daraus ragten Strandgräser wie zerzauste Federn. Das Wasser kräuselte sich dunkelblau, und ich sah keine Spur von einem Menschen, als mein Blick die Küste entlangstrich, so weit wie nur möglich. Ich schaute lange Zeit so hinaus, völlig in Spekulationen und Sorgen versunken. Als ich mich zum Gehen wandte, bemerkte ich z u meinem Schreck Detective Roche so dicht hinter mir, daß er mich hätte packen können.
    »Mein Gott«, entfuhr es mir. »Schleichen sie sich nie wieder so an mich heran.«
    »Ich bin in ihren Spuren gelaufen. Deswegen haben Sie mich nicht gehört.« Er hatte einen Kaugummi im Mund und die Hände in den Taschen seines Ledermantels. »Ich bin gut darin, leise zu sein, wenn ich es darauf anlege.«
    Ich starrte ihn an, während meine Abneigung gegen ihn neue Dimensionen erreichte. Er trug eine

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