Trübe Wasser sind kalt
sich hinter den Mauern ihrer Ansiedlung in Virginia so mucksmäuschenstill verhielten, weil sie etwas Verheerendes ausheckten. »Wir müßten auf der Farm dieses Arschlochs eigentlich eine Razzia machen«, sagte Marino, als er vom Tisch aufstand. »Das hätte schon vor langer Zeit passieren sollen.«
»Welchen plausiblen Grund gäbe es dafür?« sagte Lucy. »Das fragst du mich, bei Schweinen wie ihm braucht es keinen plausiblen Grund.«
»Oh, gute Idee. Das solltest du Gradecki vorschlagen«, sagte sie schnippisch, auf die Justizministerin anspielend. »Hör mal, ich kenne einige Leute in Suffolk, wo Hand lebt, und die Nachbarn sagen, dort gehen ein paar wirklich beschissene, merkwürdige Dinge vor.«
»Nachbarn denken immer, merkwürdige, beschissene Dinge gehen bei ihren Nachbarn vor«, sagte sie.
Marino holte den Champagner aus dem Kühlschrank, während ich Gläser bereitstellte.
»Was für merkwürdige Dinge?« fragte ich ihn. »Barkassen fahren den Nansemond River hinauf und laden Kästen aus, die so groß sind, daß sie Kräne dafür brauchen. Niemand weiß, was dort vorgeht, aber Piloten haben nachts große Feuer entdeckt, als fänden dort okkulte Rituale statt. Die Leute aus dem Ort schwören, daß sie die ganze Zeit Gewehrschüsse hören, und es seien Morde auf seiner Farm geschehen.« Ich ging ins Wohnzimmer, wir würden später abspülen. Ich sagte: »Ich weiß über die Morde in diesem Bundesstaat Bescheid, und ich habe nie etwas von einer Verbindung zu den Neuen Zionisten gehört und auch nicht in Zusammenhang mit irgendeinem anderen Verbrechen. Bloß von Außenseiterpolitik und abwegigem Extremismus. Sie scheinen Amerika zu hassen und wären wahrscheinlich glücklich, wenn sie irgendwo ihr eigenes kleines Land hätten, wo Hand König sein könnte. Oder Gott. Oder was immer er für sie ist.«
»Soll ich den Korken knallen lassen?« Marino hielt den Champagner hoch.
»Das neue Jahr wird nicht mehr jünger«, sagte ich. »Jetzt muß ich das erst auf die Reihe kriegen.« Ich ließ mich auf der Couch nieder. »Eddings hatte Verbindungen zu den Neuen Zionisten?«
»Nur weil er eine ihrer Bibeln hatte, wie ich dir schon gesagt habe«, meinte Marino. »Ich habe sie gefunden, als ich sein Haus durchsuchte.«
»Und die sollte ich nicht zu Gesicht bekommen?« Ich sah ihn spöttisch an.
»Heute abend ja«, sagte er. »Weil ich eher besorgt bin, daß sie es sieht, wenn du es wissen willst.« Er blickte zu Lucy. »Pete«, sagte meine Nichte sehr vernünftig, »du brauchst mich nicht mehr zu beschützen, auch wenn ich so etwas schätze.« Er schwieg.
»Was für eine Bibel?« fragte ich ihn. »Keine, die du je zu r Messe mitnehmen würdest.«
»Satanisch?«
»Nein, das kann man so nicht sagen. Zumindest sieht sie nicht aus wie die, die ich gesehen habe, weil es nicht um die Verehrung Satans geht und nicht die Art von Symbolen darin ist, die man damit verbindet. Aber es ist todsicher nicht das, was du vor dem Einschlafen lesen möchtest.« Er schaute wieder zu Lucy. »Wo ist sie?« Ich wollte es wissen.
Er wickelte die Folie vom Flaschenhals und löste den Draht. Der Korken knallte laut, und er goß den Champagner so ein, wie er Bier einschenkte, hielt die Gläser schräg, damit kein Schaum entstand.
»Lucy, könntest du meine Aktentasche holen? Sie ist in der Küche«, sagte er. Als sie aus dem Zimmer war, schaute er mich an und senkte die Stimme. »Ich hätte sie nicht hergebracht, wenn ich gedacht hätte, daß ich Lucy hier treffen würde.«
»Sie ist eine erwachsene Frau. Sie ist FBI-Agentin, verdammt noch mal«, sagte ich.
»Ja ja, und manchmal dreht sie durch, und das weißt du auch. Sie muß sich so ein gespenstisches Zeug nicht ansehen. Ich sa g dir, ich hab sie gelesen, weil ich es mußte, und mir ist es kalt über den Rücken gelaufen. Mir war danach, zur Messe zu gehen, und wann hast du mich das je sagen hören?« Sein Gesicht war angespannt.
So etwas hatte ich noch nie von ihm gehört, und deshalb war ich betroffen. Lucy hatte schwere Zeiten hinter sich, in denen ich mich ernsthaft um sie geängstigt hatte. Sie war selbstzerstörerisch und labil gewesen.
»Ich habe nicht das Recht, sie zu behüten«, sagte ich, als sie ins Wohnzimmer zurückkam.
»Hoffentlich redet ihr nicht über mich« sagte sie und reichte Marino die Aktentasche.
»Ja, doch, wir haben von dir geredet«, sagte er, »weil ich der Meinung bin, du solltest da nicht reinschauen.« Der Verschluß schnappte auf.
»Es ist
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